Bring Me The Horizon - There Is A Hell, Believe Me I've Seen It...

Review

Sheffields Krawallsöhne BRING ME THE HORIZON sind ja im Grunde selbst Schuld an ihrem recht zwiespältigen Image. Optisch und musikalisch badeten sie von Anfang an, und damit etwas zu früh, im allertiefsten Trendsumpf und galten nicht zuletzt aufgrund des außerhalb der aggressionsgeladenen Bühnenperformance irgendwie immer leicht introvertiert wirkenden Front-Abziehbildchens Oliver Sykes als Vorzeige-Br00talyouth-Band. Der Zweitling „Suicide Season“ kam halt dann doch irgendwie zur rechten Zeit und bot im Gegensatz zum Deathcore-lastigen Debüt einen musikalisch reiferen Schwenk zu nachvollziehbarer, metallastiger Core-Würze, die besonders durch ihren mitgrölkompatiblen Hardcore-Charakter auffiel. Auf diesem Werk kam jedoch der jugendliche Partywahn noch ein wenig durch, was auf Album Nummer drei, das den seltsam langen Titel „There Is a Hell, Believe Me I’ve Seen It. There Is a Heaven, Let’s Keep It a Secret“ trägt, der Vergangenheit angehört.

Der Titel ist ein Textitat aus dem Opener „Crucify Me“, der tatsächlich überraschen kann. Über dem Metalcore-lastigen und mitunter schwer groovenden Grundgerüst thront nun von eben jenem hasserfüllten Giftzwerg eingebrüllter Verzweiflungsgesang, dessen emotionale Färbung BRING ME THE HORIZON ungleich authentischer erscheinen lässt. Weibliche Gastvocals (beim ersten Track ein bisschen durch den Elektronik-Fleischwolf gedreht) begegnen uns im Laufe der Scheibe noch öfter. „It Never Ends“ erteilt dem standartisierten Metalcore durch epische Chöre eine eindrucksvolle Ansage, während bei „Anthem“ und „Home Sweet Hole“ die Kehlen der immer noch sehr jungen Zielgruppe durch prägnant-melodische Ausbrüche gefordert werden. Dass Josh Franceschi, Sänger der britischen Poppunk-Krabbelgruppe YOU ME AT SIX zwischendurch auch mal Bock auf Metal hat, beweist er, indem er zum unerwartet melodischen „Fuck“ die cleanen Gesangsparts beisteuert. Das Violinintermezzo zwischen diesem Song und „Don’t Go“ lässt Erinnerungen an die unermüdliche Kapelle auf der sinkenden Titanic aufkommen, die trotz unabwendaberer Katastrophe bis zur letzten Sekunde weiterspielt, während ringsherum Panik und Entsetzen herrschen. Und was folgt, ist mit „Don’t Go“ ein ehrfürchtig emotionaler Sinkflug, dessen Protagonist unter der Last der Einsamkeit zu Zerbrechen droht. In seiner unabstreitbaren Intensität sicherlich einer der besten Kompostionen der Band.

Das alles passiert in der ersten Hälfte, die zweite lässt den Aggressionen ungebremster freien Lauf. „Visions“ ist daran gemessen ein kleines Lowlight, „Blacklist“ groovt dafür tonnenschwer vor sich hin und ist tasächlich ein fast modebefreiter Death Metal-Song. Ja, wirklich.

Mit „Memorial“ folgt ein leider etwas klinisch klingendes Keyboard-Instrumental, der Vorbote für das erneut sehr tiefgreifende „Blessed With A Curse“, bevor das nur knapp zweiminütige „The Fox And The Wolf“ das Album mit einem allerletzten Ausbruch Seelenwahnsinns zu Ende gehen lässt.

Bei aller liebe zum Detail, die „There Is A Heaven…“ zu einer atmosphärischen Entdeckungsreise macht, ist es ein bisschen schade, dass die Band so viele Gastmusiker ins Studio holen musste, um ihre Ideen umzusetzen. Das gibt der Frage Gewicht, wie es mit der Live-Darbietung der besten Songs der Scheibe aussieht, genauso übrigens, wie diese Vertonung niederer Ängste sich Seite an Seite mit den rebellischen, vielleicht etwas primitiv hasserfüllten Orgien der Vorgänger vertragen wird. Festzuhalten bleibt, dass bei BRING ME THE HORIZON eine Entwicklung zu beobachten ist, die man fernab sämtlicher Vorwürfe anerkennen muss. Vielleicht ist die innere Zerissenheit des Herrn Sykes, die sich hier zum ersten Mal in ihrer vollen Größe offenbart, doch der letztendliche Sieger gegen das etwas kindliche, ungestüme Rabaukentum. Und vielleicht ist die farbenfrohe Shirt-Oddyssey, die man vor allem auf ihren Konzerten beobachten kann die eigentliche Flucht vor der omnipräsenten Schwärze. Man könnte ja mal über eine Anpassung nachdenken.

01.10.2010
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