Bring Me The Horizon - Amo

Review

Galerie mit 21 Bildern: Bring Me The Horizon - Rock am Ring 2023

Nach einer horrend langen Promo-Phase von fast 6 Monaten haben BRING ME THE HORIZON kürzlich ihr neues Album „Amo“ (portugiesisch für Liebe) auf die Menschheit losgelassen. Ähnlich wie der Vorgänger „That’s The Spirit“ sorgten auch die ersten Singleauskopplungen der Platte wieder für allerlei Zündstoff und ausartende Diskussionen in den Kommentarspalten, die die Welt bedeuten. Von Sellout ist die Rede, die Band wäre nicht mehr sie selbst und sowieso ist alles mit weniger als 120 BBPM (Blast-Beats per Minute) und Klargesang nur etwas für verweichlichte Milchbubis, die Hochverrat an der alternativen Musikszene begehen. Wer zum Frühstück erst mal eine Schüssel Nägel mit Stroh 80 braucht, um auf seinen notwendigen Testosteronlevel zu kommen, der sollte Abstand halten.

BRING ME THE HORIZON auf Pop-Kurs

Mit I Apologize If You Feel Yomething eröffnen die fünf Jungs aus Sheffield ihr musikalisches Potpourri. Wabernder, düsterer elektronischer Sound und verzerrte Stimmen bestimmen den Opener, welcher weniger als eigenständiger Song überzeugt, als überlanges Intro zum darauffolgenden Song Mantra betrachtet dennoch einen gewissen Charme besitzt. Letzter groovt für etwas, dass man höchstens mit zwei zugedrückten Augen noch als Metal bezeichnen könnte, ordentlich und ist mit seinem gitarrenlastigen Sound gar nicht so weit vom Vorgänger That’s The Spirit entfernt. Kein Metalcore, absolut radiotauglich, aber meilenweit entfernt von schlecht. Der folgende „Nihilist Blues – für den sich BRING ME THE HORIZON Unterstützung von der Sängerin GRIMES geholt haben – dient als Sargnagel und begräbt BRING ME THE HORIZON als Core-Band endgültig. Techno- und Trance-Sounds überwiegen, hier und da wird ein dezenter, aber sehr passender Drum-Part eingeworfen, zum Ende hin darf dann auch die gesamte Instrumentalfraktion noch etwas beisteuern und wenn man ganz genau hinhört, vernimmt man im Hintergrund das Schluchzen eines weinenden Core-Elitisten. Unerwartet, extrem gewöhnungsbedürftig und einer der besten Songs auf der Platte.

Nachdem das gar nicht so dunkle, dafür umso poppigere „In The Dark ein kleines Ohrwurm-Intermezzo beschert, driftet die Kapelle um Oli Sykes mithilfe von Dani Filth auf „Wonderful Life wieder in etwas deftigere Gefilde – bei einem Nihilist Blues hätte Filth wahrscheinlich auch den Dienst quittiert. Sykes tendiert mit seinem Gesang sogar hin und wieder zu so etwas wie einem Scream und wie schon auf Mantra fällt die Sache sehr gitarrenlastig aus. Orchestrale Unterstützung zum Ende des Songs setzt der ganzen Sache die Krone auf. Bei „Ouch ist der Name tatsächlich Programm. Der kurze Ausflug Richtung DrumNBass will – gespickt mit viel zu vielen kindlichen Voice-Samples – so gar nichts zum Gesamtbild beitragen und hätte getrost weggelassen werden können. Die von BRING ME THE HORIZON im Anschluss verabreichte „Medicine dürfte den meisten alteingesessenen Fans ebenso wenig schmecken wie einem 6-jährigen der Brokkoli zum Mittagessen, denn hier geht es zum ersten Mal richtig poppig zur Sache. Wenig Gitarre und Bass, viel Geklimper und Synthies von Keyboarder Jordan Fish und Lyrics die Tumblr-Poweruser in regelrechte Ekstase versetzen (Some people are just like clouds you know, cause life is so much brighter when they go). Der Track mit der wahrscheinlich höchsten Radiotauglichkeit und gleichzeitig ein dicker Ohrwurm.

Zum Auftakt ins letzte Drittel bemüht sich „Sugar Honey Ice & Tea mit rockigeren Allüren um die Abkühlung erhitzter Fan-Gemüter nur um im Anschluss auf „Why You Gotta Kick Me When I’m Down? dem längst totgeglaubten Dubstep-Genre zu frönen. Man muss schon wirklich dicke Eier haben, um dieses Genre-Hopping so konsequent durchzuziehen. Die pure Elektro-Nummer „Fresh Bruises ist als Interlude ganz nett, kommt dank der sich ständig wiederholenden Lyrics (Dont you try to fuck with me / Dont you hide your love) und einer Spielzeit von über drei Minuten ziemlich nervig um die Ecke. „Mother Tongue ist der Schmachtfetzen auf Amo, mit orchestraler Unterstützung gesegnet und neben „Medicine nicht nur ein weiterer Ohrwurmkandidat, sondern auch ähnlich radiotauglich aufbereitet wie eben jener. Dass Schlagzeuger Matt Nicholls hier zu absoluter Hochform aufläuft, dürfte dem Core-Elitisten nur wenig schmerzlindernd erscheinen. Kurz vor Schluss beweisen die Briten sogar eine gute Portion Humor, indem sie auf „Heavy Metal – nein, der Song ist nicht heavy – mit einem dicken Augenzwinkern über eben jene Zeitgenossen schwadronieren, denen die Band nicht mehr hart genug ist.

So I keep picking petals
Im afraid you dont love me anymore
Cause a kid on the gram in a Black Dahlia tank
Says it aint heavy metal
And thats alright

Pop-Rock mit weniger Plattitüde

Die durch diverse Streichinstrumente sehr stimmig in Szene gesetzte Powerballade „I Don’t Know What To Say beendet das Spektakel, das man selbst von einer Mainstream-affinen Band wie BRING ME THE HORIZON nicht erwartet hätte. Oliver Sykes und Jordan Fish, die das Album gemeinsam produziert haben, beweisen mal wieder, dass sie ein ausgesprochen gutes Händchen für Melodien, catchy Refrains und Arrangements haben und vor allem, dass eine Band sich im Kern nicht durch ein Genre definieren muss, um überzeugen zu können. Was Sykes und Konsorten hier auf die Beine gestellt haben, mag auf den ersten Blick kaum von den Werken der bereits etablierten Radio-Poprocker wie etwa THIRTY SECONDS TO MARS zu unterscheiden sein, die fehlenden Plattitüden der Briten machen allerdings einen großen Unterschied. Wer keine Angst vor ein bisschen poppigerem Sound hat, oder seine Playlists sogar mit Gaga, Swift und Co. bereits etwas aufgeweicht hat, der sollte definitiv ein paar Durchgänge mit der Scheibe wagen, auch wenn der Funke nicht sofort überspringen sollte. Für alle anderen, Pfoten weg. Cause it aint heavy metal and thats alright.

 

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15.02.2019

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