Bridge City Sinners - In The Age Of Doubt

Review

Erst vor kurzem haben wir mit unserem „Kein Metal, aber…“-Special einen Blick über den musikalischen Tellerrand gewagt und dabei auch die BRIDGE CITY SINNERS vorgestellt. Für nähere Hintergrundinformationen zu den Folk Punks aus Portland, Oregon sei daher auf besagtes Special verwiesen. Hier wollen wir uns nun voll und ganz dem neuen Album „In The Age Of Doubt“ widmen, welches die scheuklappenfreie Mischung aus Bluegrass, Dark Folk, Jazz und was weiß ich wie vielen weiteren Subgenres traditioneller amerikanischer Folk Music auf die nächste Stufe hebt, sowohl musikalisch als auch emotional.

Die BRIDGE CITY SINNERS trotzen allen Zweifeln

Zwar ist „In The Age Of Doubt“ kein durchgängiges Konzeptalbum, das übergreifende Thema „Zweifel“ in all seinen Formen zieht sich aber wie ein roter Faden durch die Platte. Der flotte, von Banjo und Trompete getriebene Opener „Break The Chain“ etwa thematisiert das Gefühl der Unsicherheit in einer Welt, in der die einzige Konstante stetiger Wandel ist, ob nun politisch, sozial oder auch der Klimawandel. Trotz der derzeitigen Abwärtsspirale geben sich die BRIDGE CITY SINNERS aber kämpferisch.

Mit „Doubt“ und „Crazy“ beschäftigen sich gleich zwei Stücke mit den Themen Depression, Selbstzweifel und mentaler Gesundheit, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise. Das düstere, von bedrohlichen Riffs, einer dissonanten Geigenmelodie wie aus einem Horrorfilm und Libby Lux angriffslustiger Gesangdarbietung getragene „Doubt“ greift das Gefühl der Hilflosigkeit während einer depressiven Episode beängstigend intensiv auf. Gefangen in einer negativen Gedankenwelt werden hier die eigenen Emotionen zum größten Feind. Das freche, schwer swingende „Crazy“ wiederum nähert sich der Sache stimmungsmäßig von einer ganz anderen Seite und ruft dazu auf, sich selbst und die eigenen mentalen Probleme allen Vorurteilen, dummen Kommentaren und gut gemeinten Ratschlägen zum Trotz zu akzeptieren. Hier zeigen die BRIDGE CITY SINNERS erneut ihr Talent dafür, schwierige Themen in leichtfüßigen Songs zu verpacken.

Die Stilvielfalt auf „In The Age Of Doubt“ ist ohnehin mal wieder beeindruckend. Bei der Weltuntergangsparty „Midnight To Vice“ und dem in die Ferne strebenden „The Crawl“ wird süffisanter New-Orleans-Jazz zelebriert, „Heavy“ wiederum ist eine lässige Country-Ode an den Morgenjoint. Denn was bereitet schon besser auf die Sorgen des Alltags vor, als ein amtlicher Dübel zum Frühstück?

Ein gutes Händchen für düstere, mitreißende Folk-Hymnen haben die BRIDGE CITY SINNERS ja schon beim Titeltrack ihres letzten Albums „Unholy Hymns“ bewiesen und auf „In The Age Of Doubt“ bauen sie diesen Aspekt ihres Sounds noch weiter aus. Mit dem kämpferischen „End Of The War“, dem resignierten „Shame“ und dem sehnsüchtigen Abschluss „The Good Ones“ schlagen gleich mehrere Songs in diese finster-epische Kerbe. Letzteres nimmt auch nochmal Bezug auf das übergreifende Thema des Albums und lässt die Frage, ob das Leben nun Segen oder Fluch sei, bewusst offen.

Düstere Hymnen für eine Welt im Wandel

Inhaltlich ist „In The Age Of Doubt“ sicherlich das bisher persönlichste und auch bodenständigste Album der BRIDGE CITY SINNERS. Oft wird der Blick nach innen gerichtet, es wird aber auch deutlicher als bisher Bezug auf gesellschaftliche und weltliche Themen genommen, jedoch nicht ohne den der Band eigenen Galgenhumor. Neben dem musikalischen Abwechslungsreichtum muss man außerdem die makellose Spielkultur der Portland-Weirdos hervorheben.

Libby Lux besticht erneut durch ihre vielseitige Gesangsdarbietung, die sie mal frech und verspielt, mal jazzig verrucht und mal angepisst fauchend wie eine wütende Berglöwin zeigt. Teufelsgeiger Lightnin‘ Luke bringt regelmäßig die Saiten seiner Fiedel zum Glühen und trägt viele der Stücke mit seinem virtuosen Spiel, bei „Eye For An Eye“ darf er sogar seine klassische Ausbildung zur Schau stellen. Ebenfalls sehr markant sind das schwungvolle Banjo-Spiel von Flitzefinger Clyde McGee und der verstärkte Trompeteneinsatz, für den sich die SINNERS in Zukunft vielleicht doch ein weiteres Bandmitglied ins Boot holen müssen. Das Spiel von Gitarrist Michael Sinner und Bassist Scott Michaud mag im Vergleich weniger flashy sein, verleiht der Chose aber ein geerdetes Fundament.

„In The Age Of Doubt“ ist also ein weiterer Straus bunter Melodien mit teils schwierigem Hintergrund, der sich allen empfiehlt, die gerne über den schwermetallischen Tellerrand blicken und ihre Musik zwar thematisch düster, jedoch gleichzeitig eingängig und tanzbar mögen. Die BRIDGE CITY SINNERS setzen sich damit selbstbewusst an die Spitze der jungen amerikanischen Folk-Szene, die mit Künstlern wie AMIGO THE DEVIL, HOLY LOCUST oder DAYS N‘ DAZE ohnehin so einiges zu bieten hat.

15.07.2024

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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