Breed77 - In My Blood - En Mi Sangre

Review

Wie beschreibt man kurz und bündig eine Platte, deren Vielfalt ein ganzes Buch füllen könnte? Wie beschreibt man ein Album, dass absolut mainstream-fähig ist, jedoch zu keiner Zeit irgendwelchen Trends hinterher rennt oder erfolgreiche Modelle kopiert? Wie beschreibt man eine Scheibe, die von harter Aggression bis hin zu wärmsten und fragilsten Emotionen alles beinhaltet? Wie beschreibt man ein Werk, dass das Potential hat, eine Fanbandbreite anzusprechen, die von SYSTEM OF A DOWN über LED ZEPPELIN bis hin zu ILL NINO oder sogar den GYPSY KINGS reicht?

Was die ursprünglich aus Gibraltar stammenden und mittlerweile in London lebenden BREED77 mit ihrem dritten Streich abliefern, ist schlichtweg großartig und an Ideenvielfalt vielleicht gerade mal von SYSTEM OF A DOWNs Doppelschlag „Mesmerize/Hypnotize“ zu überbieten. Zugegebenermaßen: Die Symbiose von spanischer Folklore und schwermetallischen Zutaten ist spätestens seit ILL NINOs grandiosem Debüt „Revolution Revolucion“ keine Neuheit mehr. Trotzdem schaffen es die vier Musiker vom Affenfelsen, ihrem Akustikgitarren-Flamenco-meets-Stromgitarren-Mix eine faszinierende Frische und Ursprünglichkeit einzuhauen, die einen vom ersten Klatschen des Openers „Petroled (You Will Be King)“ nicht mehr loslassen.

Dabei spielt es keine Rolle, ob BREED77 groovig-eingängig (hitverdächtig: „Remember That Day“), melancholisch zerbrechlich (mit einer 1:1 bei FAITH NO MORE geklauten Gesangslinie aufwartend: „Look At Me Now“), hymnisch-kraftvoll (bezeichnend: „Libertad“) oder einfach nur traurig-schön (seinem Namen samt PINK FLOYD-Kinderchor alle Ehre machend: „Tears“) zu Werke gehen, sie treffen den Hörer auch nach 20 Durchläufen noch im tiefsten Innern, ohne effekthascherisches oder aufgesetztes Auftreten nötig zu haben.

„In My Blood – En Mi Sangre“ lädt zu jeder Sekunde auf eine emotionale Achterbahnfahrt ein, die für den Fahrgast an ihrem langsamsten Tiefpunkt Verzweiflung und Depression bereit hält, nur um sich im nächsten Moment in einen Looping aus Kraft und Zuversicht aufzuschwingen, getragen von einem höchst abwechslungsreichen Wechselspiel aus Akustik- und E-Gitarren, dramaturgisch perfekt untermalt von Paul Isolas jede einzelne Gefühlsnuance dieser Scheibe authentisch wiedergebenden Vocals. Und das alles wohlgemerkt nicht durch pseudointellektuell verkopfte Progressivität, sondern mit einem Bein im Neo-Thrash und mit dem anderen in der Tür zum Mainstream stehend, ohne einen anbiedernden oder kalkulierenden Charakter aufzuweisen.

Diese Band hat Herz, verdammt viel Herz, ein unglaubliches Gespür für eingängige, ehrliche Originalität, viel zu sagen und hoffentlich eine große Zukunft vor sich! Wow!

06.11.2006
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