Bohren & Der Club Of Gore - Piano Nights
Review
BOHREN & DER CLUB OF GORE (oder kurz: BUDCOG) sind eines der spannendsten Phänomene der Metalszene. Obwohl: Metal? BUDCOG sind ja eigentlich überhaupt kein Metal. Keine Gitarre, kein Gesang, dafür Saxophon und Orgelklänge. Das Ganze in einer Geschwindigkeit, die selbst TYPE O NEGATIVE wie ein Duracell-Häschen aussehen lässt. Dennoch ist die krude Jazz-Dark-Ambient-Lounge-Mischung der Mülheimer fesselnd und meditativ, böse und verstörend, also voller Attribute, die der gemeine Metaller spannend finden muss (!).
Assoziationen zu den cineastischen Glanztaten eines David Lynch oder den neueren musikalischen Grenzüberschreitungen von ULVER kann man ziehen: BUDCOG reißen mit, ziehen auf die dunkle Seite, beschwören Bilder von einsamen Abenden an der Hotelbar und liefern einen dramatischen, akutischen film noir.
Das neu erschienene Werk „Piano Nights“ ist nunmehr das siebte Album der Kapelle – und natürlich ein Pflichtkauf. Das Saxophon fräst sich in die Hirnwindungen wie eh und je, das Schlagzeugspiel setzt mit seinen gefühlt ca. 27 Schlägen pro Song (hier werden Beats pro Song gezählt, nicht pro Minute) starke Wegmarken und das namensgebende Piano liefert diesmal sogar vollständige Melodien, nicht nur einzelne, tiefgestimmte Akzente wie auf den Vorgängerscheiben.
Und dennoch: Irgendwas fühlt sich komisch an bei „Piano Nights“, es entsteht der Eindruck, dass BUDCOG es sich diesmal zur Aufgabe gemacht haben, „richtige“ Songs zu schreiben. „Piano Nights“ gibt sich nicht mehr bloß damit zufrieden, als Klanglandschaft zu fungieren, die Songs wirken vielfältiger und komplexer als noch auf dem Vorgänger „Dolores“. BUDCOGs stilprägende Monotonie („Other bands play, Bohren bore!“) wird häufiger aufgebrochen, anstatt fast ausschließlich tiefen Orgelklängen im Hintergrund, ergänzt um einige klangliche „Farbtupfer“, finden sich nun stellenweise charmante, fast filigrane und geradezu mitreißende Duette von Piano und Saxophon. Ein vielleicht für sich genommen nur kleiner Unterschied, aber auch die Entwicklungsschritte im BUDCOG-Universum sind langsam, aber wirkungsvoll.
Dennoch bringt es diese Entwicklung verblüffenderweise mit sich, dass „Piano Nights“ schlanker und reduzierter wirkt als alle Scheiben seit dem Viertlingswerk „Black Earth“, insbesondere was die Produktion angeht. Durch die vordergründige Betonung des Pianos rückt der wirkungsorientierte Einsatz des Basses ein wenig nach hinten, „Piano Nights“ klingt sehr aufgeräumt und verzichtet auf jeglichen unnötigen Ballast. Ein Fortschritt, der damit Facetten aus den Frühwerken aufgreift und mit den musikalischen Stärken der Jetzt-Zeit verbindet. Stark!
Letztlich gibt es kein Entkommen mehr für den Hörer, sobald das Album einmal angelaufen ist. Die vier Herren machen es einem wahrlich schwer, aus ihren Klauen zu entkommen, Dabeibleiben ist alles. Extralob gibt’s auch noch für das Albumcover, das schon jetzt ein heißer Anwärter auf das Artwork des Jahres ist.
Aufgeschlossene Freundinnen und Freunde stimmungsvoller Düstermusik sowie alle Fans der Vorgängeralben werden rückstandslos zufriedengestellt.
Unbedingt antesten: „Ganz Leise Kommt Die Nacht“ und „Verloren (Alles)“.