Blutmond - The Revolution Is Dead!

Review

Mit Erwartungen ist das so eine Sache. Ich hätte vor zwei Jahren keineswegs mit einem Album wie „Thirteen Urban Ways 4 Groovy Bohemian Days“ von einer Schweizer Band namens BLUTMOND gerechnet. Die Band war einer Supernova gleich stilistisch explodiert, nachdem man sich von hausgemachtem Black-Metal-Einheitsbrei losgesagt hatte. Aber schon damals waren selbst Begrifflichkeiten wie ‚Avantgarde‘ eher kauzige Zaungäste, die nicht so recht zum Schaffen BLUTMONDs passen wollten. Sie hatten sich einfach die Freiheit genommen – und mir schon damals im Interview verraten, dass sie noch viele Asse im Ärmel haben, dass das Experimentieren gerade erst angefangen hätte.

Mit „The Revolution Is Dead!“ bleiben sie dieser Zielsetzung treu, wenn gleich es auch bedeutet, dass sie sich keinen Millimeter darum kümmern, was Kenner, Fans, Hörer nun tatsächlich von ihnen erwarten. Wenn man sich austoben will, kann man derlei Schranken und geistige Selbstzensur kaum gebrauchen. Was tun BLUTMOND also, wenn sie sich nicht verbiegen? Sie verbiegen euch die Ohren, hahaha! Nein, ernsthaft: Ich war nach dem ersten Durchlauf erstmal sprachlos. Meine persönlichen Erwartungen, so vorsichtig ich sie auch formuliert hatte, kollidierten zunächst mit dem deutlich „entschwärzten“ langen Einstieg in die Platte. Riffs und Gesang, die eindeutig Richtung Melodic Death Metal schielen, und das nicht nur als erste Einstimmung. BLUTMOND hantieren hier geschickt mit einigen Genreklischees, pfeifen ansonsten für den Rest des ersten Drittels auf Konventionen, und ziehen ihren zwischen Aggression und sympathischem Chaos stehenden Stiefel kompromißlos durch. Ganz elegant führen sie uns dabei auch in die hörenswerte Gästeliste ein, etwa wenn Anna Murphy (ELUVEITIE) zum ersten Mal ans Mikro geht und Blasinstrumente wie das Saxophon zum Einsatz kommen. Wenig später wird man u.a. auch Markus Baltes (AUTUMNBLAZE), Fredy Schnyder (NUCLEUS TORN), Schwadorf (THE VISION BLEAK) und noch einige Gäste mehr zu Hören bekommen.

Mit „Stop The Rain, Neuzeit Jesus“ erklingt dann ein formvollendeter, typischer BLUTMOND-Song, reich an hörenswerten Details, aber immer noch weit entfernt von schwarzer Schwerlast. Und so langsam muss es dem Hörer dämmern, dass dieses Album tatsächlich bewusst gegen diesen Strom schwimmt. Das vermittelt auch der leicht jazzige Unterton von „Absolution Lies In Evolution“ (klare Hörempfehlung!) oder dem Kontrast von elektronischen Beats und einem mächtigen, riffstarken Refrain bei „Moonlit Chair™“. Nach dem verhaltenen Anfang scheint die Band nun alle Kräfte zu versammeln, denn hier gelangt das Album in meinen Augen zur Höchstform. „BreakDown 2012“ schmettert heftig und laut, im großartigen „Birds Of Prey“ gelangt man zur brachialen schwarzgetünchten Soundwand des Vorgängers zurück, während Anna Murphy sich zur femme fatale aufkratzt und ihr dabei der gleiche Wahnsinn auf den Stimmbändern liegt, der mich z.B. auch bei Agnete Kjølsrud begeistert. Liegt’s daran, dass diese nach vorne preschende Nummer so schnell ins Ohr geht, ganz ohne komplexe Klangspielereien? Liegen mir diese BLUTMOND mehr als die anderen?

In Songs wie den folgenden „Attention Whore!“ oder „21st Century Prophets“ stecken viel Licht, melodische Flächen und eine reichhaltige, instrumentale Texturierung. Auch der Vorgänger brauchte an einigen Stellen etwas mehr Zeit zur Entfaltung, präsentierte sich aber in einem transparenteren Konzept. „The Revolution Is Dead!“ legt die Latte der Anforderungen an den Hörer nun deutlich höher. Nicht, weil sie Metal wie Mathematik betreiben, nicht weil sie sich selbst als Avantgardisten oder progressiv begreifen – und auch nicht, weil das Album ein komplexes Stil-Tohuvabohu wäre. „The Revolution Is Dead!“ fährt konsequent die Linie von Inkonsequenz, spielt mit vertrauten Klängen in ungewohnten Zusammenhängen und präsentiert dem Hörer unterm Strich ein Werk, welches trotz seiner Greifbarkeit immer wieder aus den Händen zu gleiten droht. Leichter als das, was man für gewöhnlich als „schwere Kost“ bezeichnet, aber trotzdem nicht leicht verdaulich. Ich mochte den geschlossenen Charakter des Vorgängers, aber wie gesagt: Das war für die Schweizer erst der Anfang. Wohin sie ihre Reise jetzt geführt hat, wird nicht überall auf Gegenliebe stoßen.

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08.11.2012

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1 Kommentar zu Blutmond - The Revolution Is Dead!

  1. Falk sagt:

    Bei mir stößt „The Revolution Is Dead!“ (wunderbar ironischer Titel übrigens) jedenfalls auf sehr viel Gegenliebe. Ein selbst für Blutmond-Verhältnisse (sofern es diese Begriffskombination überhaupt geben darf) unkonventionelles Album, das Fans „ungewöhnlichen“ Extrem Metals begeistern dürfte. Wirklich schwarz ist das Ganze nicht, das stimmt schon, nichtsdestoweniger aber sind die Schweizer in atmosphärisch dunklen Gefilden unterwegs und legen ein homogenes, treibendes Album vor. Klasse.

    9/10