Blut aus Nord - Disharmonium - Undreamable Abysses

Review

Vindsval scheint nicht still stehen zu können. Nicht nur gab es mit FORHIST neues Material erst letztes Jahr von dem Franzosen, auch Neues in seinem Elektronikprojekt YERUSELEM soll bereits anstehen. Und nur drei Jahre nach dem melodischen „Hallucinogen“ von 2019,  welches beinahe schon „konservativ“ in der Diskographie zu nennen ist, kommt bereits neues Material für BLUT AUS NORD daher.

BLUT AUS NORD erfinden sich jedes mal ein Stück weit neu

Mit „Disharmonium – Undreamable Abysses“ findet mittlerweile ein thematischer Schwenk ins Lovecraft-Universum statt. BLUT AUS NORD haben sich auf vielen Alben in der Vergangenheit immer ein Stück weit neu erfunden, was sowohl die Musik anging, allerdings auch die Soundästhetik in Form von Produktion und Mix betraf. Und das ist auch hier erneut ein Stück weit der Fall. Getreu dem thematischen Überbau klingt hier alles etwas sumpfiger, aber immer noch mächtig und differenziert genug, um die Bekundungen an die großen Alten grässlich und einschüchternd genug zu halten. Musikalisch geht es dagegen eigentlich simpler zu: Die tiefen Riffs bewegen sich schon im Opener „Chants Of The Deep Ones“ mit Kontinentalplattentektonik-Geschwindigkeit, was Änderungen angeht.

Wie allerdings auch in der wirklichen Welt nach trügerischer Langsamkeit die Plattentektonik bei Entspannung große Kräfte freiwerden lassen kann, ist dies bei BLUT AUS NORD ähnlich gelagert: Gerade die Stoik und Langsamkeit der Repetition macht mit der andersweltlichen Atmosphäre den Reiz hier aus. Garniert wird das ganze mit mystischen Beschwörungen im Hintergrund, unheilvollen Synthesizern und viel weiterem Effekteinsatz bei Gitarren und darüber hinaus (auch den Stimmen, Mehrzahl, richtig gehört!), was sich so durch das ganze Album zieht. Nicht so sehr die einzelnen Aspekte sind dabei herausragend zu nennen, viel mehr ist es das Zusammenspiel der Komponenten, was auch genauso bei einer Band wie THE RUINS OF BEVERAST vom Prinzip her funktioniert. Die einzelnen schweren Riffs zusammen mit dem Bass bilden das Fundament und stören in ihrer Simplizität nicht, vielmehr steht die Atmosphäre-Beschwörung hier im Vordergrund anstatt eine abwechslungsreiche Song-Komposition.

„Disharmonium – Undreamable Abysses“ ist der bizarre Albtraum im Lovecraft-Universum

„Disharmonium – Undreamable Abysses“ ist die ersten Durchgänge noch ein schwer zu durchsteigender kosmischer Nebel, bleibt aber durch subtile Änderungen stetig spannend genug, um vollkommen gebannt im Lovecraft-Strudel zu bleiben und sich darin zu verlieren. Erst nach mehreren Runden finden sich unterliegende Details, die entdeckt werden wollen. Ob das kleine Schlagzeugpattern sind, Details in der Stimme von Vindsval und Gästen oder Leadparts der Gitarren, die vorher im Rausch noch nicht so wahrgenommen wurde. Etwa der psychedelische Mittelteil von „Tales Of The Old Dreamer“. Oder das in Teilen fast jazzig aufspielende Schlagzeug im Anfang von „Into The Woods“ oder „That Cannot Be Dreamed“, dann wieder Blast-Beats danach hagelnd. Auch die zwischen quälendem Stöhen, demonischen Schreien und Growls liegenden Vocals über dem sonst flotten Rausschmeisser „The Apotheosis Of The Unnamable“ mit tollem Finale veranschaulichen die kompositorische Klasse und ungewohnte Herangehensweise, mit denen die Franzosen schon lange innerhalb ihrer Diskographie begeistern.

Auch wenn thematisch und stimmungsmäßig in anderen Sphären unterwegs als noch auf „Hallucinogen“, haben BLUT AUS NORD doch nichts an ihrer Faszination eingebüßt. Klar ist das hier Gebotene auch schlecht mit SULPHUR AEON oder THE GREAT OLD ONES zu vergleichen, obwohl auch die die großen Alten besingen und sich ebenfalls ganz an lovecraftscher Atmosphäre in ihrem musikalischen Ausdruck versuchen. Während erstere dabei vielleicht die Grandiosität und die Winzigkeit des Menschen noch musikalisch super veranschaulichen und die letzteren den Mystizismus und das Geschichtliche bei Lovecraft, sind BLUT AUS NORD die Verkörperer von bizarren Träumen und unvorstellbaren Welten. Und dahin könnt ihr euch für eine Dreiviertelstunde mit „Disharmonium – Undreamable Abysses“ unter euren Kopfhörern prima hineinversetzen lassen. IÄ, IÄ, kauft das Album oder so ähnlich!

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11.06.2022

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6 Kommentare zu Blut aus Nord - Disharmonium - Undreamable Abysses

  1. nili68 sagt:

    10 Punkte für das Lied. Absolut phantastisch!

  2. dan360 sagt:

    Ja, da hat Debemur Morti zwei bockstarke Alben mit BaN & White Ward kurz hintereinander rausgehauen!🙌🏻

  3. motley_gue sagt:

    Habs das Album leider noch nicht bekommen, aber in der Zwischenzeit schon einige Male auf Spotify gestreamt. Für mich ist das eine nochmalige Weiterentwicklung zu Hallucinogens, eine unfassbar dichte Vertonung der Atmosphäre der Lovecraft-Geschichten. Das ist künstlerisch so abgehoben, für mich geht das in Richtung 9 oder 10.
    Ich lese aus dem Review auch nicht heraus, warum das Album hier „nur“ eine 8 bekommt.

  4. Schraluk sagt:

    Für mich eine der besten BM-whatever Bands aller Zeiten. „The Work Which Transforms God“, „ 777-Trilogie“, „ Memoria Vetusta II“, „Mort“, „Ultima Thule“ und und und. Was für teilweise unfassbar eigenständige und unerreichte Scheiben. Nach der fantastischen und ‚fröhlichen‘ Hallucinogen jetzt wieder gen Abrund. Ein Genuss. Falls es noch nicht klar geworden ist, ich mag dieses Projekt;-).
    Und labeltechnisch gesehen ist das, was Debemur da seit Jahren an eigenwilligem Sound fabriziert, auch wirklich a la bonne heure: Blut Aus Nord, Akhlys, Ulcerate, Inferno, Aversio Humanitatis und bald Hexis. Ach. Is schön. Alles. Manchmal.

    10/10
  5. Watu sagt:

    Sehr geil, allerdings finde ich es produktionstechnisch ein wenig dünn. Das scheint sich aber beim nächsten Album zu ändern, von dem was ich da bisher an Schnipseln gehört habe. Und dann ist das für mich ein Anwärter auf DAS Jahreshighlight schlechthin!

    8/10
  6. deadguy sagt:

    Wo ist die Produktion dünn? Sie passt perfekt zum fiebrigen Charakter des Albums und zuviel Druck hätte diesen Eindruck geschmählert. Btw seit langem der beste Versuch Lovecraft musikalisch gerecht zu werden.

    9/10