Blood Incantation - Timewave Zero

Review

Galerie mit 20 Bildern: Blood Incantation performing Timewave Zero - Roadburn Festival 2024

Spätestens der Track „Inner Paths (To Outer Space) auf dem letzten Album „Hidden History Of The Human Race“ von 2019 hat gezeigt: BLOOD INCANTATION scheuen sich nicht vor (elektronischen) Experimenten. Dass mit „Timewave Zero“ ein komplettes Ambientalbum nun herauskommen würde, hat aber doch ein wenig überrascht. Ebenfalls überrascht, dass hier die beschwerlichere Route über analoge Synthesizer, anstatt alles aus der Retorte zu produzieren, gegangen wurde. Zum Einsatz kommen unter anderem auch ein Moog, ja selbst Akustikgitarren auf „Timewave Zero“. Allerdings ganz spärlich und dezent im Hintergrund, kaum zu erahnen. Dem Genre nach ist das alles recht zähe Ambient-Sauce, nicht viel mehr als ein Knistern, Halten der individuellen Synthesizer-Noten, wo die Welle dahinter schon fast erahnt werden kann. Also ein wenig überflüssig im Grunde. Auf der anderen Seite kann nicht bestritten werden, dass BLOOD INCANTATION durchaus Atmosphäre damit auslösen können und sich das für einen Film wie Alien oder Interstellar durchaus nicht schlecht in der ein oder anderen Szene gemacht hätte.

Selbst für Ambient-Fans wahrscheinlich kontrovers: „Timewave Zero“

„Io“ zieht sich trotzdem wie ein Kaugummi, Änderungen in der Musik sind nur graduell und über lange Zeiträume wahrzunehmen, aber sie sind da. „Ea“ ist wesentlich „melodischer“ im Albenkontext. Wem LUSTMORD, CAN, QLUSTER, KLAUS SCHULZE oder TANGERINE DREAM ein Begriff sind, wird eine ungefähre Vorstellung haben, was von „Timewave Zero“ erwartet werden kann. Denn letztlich haben wir es hier mit einer Verneigung, einem Tribut vor den alten Ambient-Mitbegründern aus der Krautrock- und Elektronik-Ecke zu tun. Nur sind BLOOD INCANTATION dabei ungleich minimalistischer und wenig eingängig, da Hauptmotive oder ähnliches fehlen.

Ganz den Genrevorgaben „dröhnt“ Timewave Zero hauptsächlich, ist ein ungreifbares, waberndes Etwas, was anstrengt und Aufmerksamkeit erfordert, da hier auf zwei Tracks über 40 Minuten musikalisch gesprochen nicht wahnsinnig viel passiert. Leser oder Metal-Fans mit keinerlei Verhältnis zum Ambient können sich somit „Timewave Zero“ eigentlich gleich schon sparen. Selbst Ambient-Fans wird hier vielleicht das Fleisch auf den Rippen fehlen oder „Timewave Zero“ den oben genannten Bands nichts gehaltvolles hinzufügen. Wer abends zum Sterne-Gucken oder beim Planetariumsbesuch ein wenig kosmische Hintergrundbeschallung sucht, könnte vielleicht trotzdem mit „Timewave Zero“ glücklich werden.

BLOOD INCANTATION nutzen ihre  Stärken nicht

Ein wenig muss sich schon die Frage nach der Zielgruppe stellen: Für wen ist das nun gedacht? Metal-Fans, die in Ambient eingeführt werden sollen? Alte Synthie-Fans, die den 1970er Jahren hinterhertrauern, denen hier Tribut gezollt wird? Ist das nur für Gitarrist Paul Riedl selbst eine Spielweise für eigene Experimente? Und Fans haben durchaus nach mehr atmosphärischen Stellen in Songs wie „Inner Paths (To Outer Space)“ gefragt. Ihre Gebete wurden hiermit erhört. Ob sie somit auch adäquat beantwortet wurden, sollte jeder selbst entscheiden. Gerade die Synthese aus Ambienteinfluss und kosmischen Death Metal ist in der Hauptmusik der Band interessant, komischerweise sind BLOOD INCANTATION durch ihre Experimentierfreude hier  auf „Timewave Zero“ sogar beinahe ein wenig beliebiger geworden, da sie weniger die Stärken, die in der Verbindung bestehen, ausspielen. Die Replikation vergangener Taten, die möglicherweise sogar damals schon besser und adäquater waren, taugt hier leider für nicht viel mehr als einen gut gemachten, aber auch etwas künstlerisch leer bleibendem Tribut.

Trotzdem lässt sich „Timewave Zero“ auch nicht absprechen, trotz bleierner Schwarzloch-Schwere, ein faszinierendes Stück Hintergrundrauschen geworden zu sein, wenn man sich drauf einlassen kann und das goutiert. Wie haltbar das im Langzeittest dann ist, kann von Planck-Zeiten bis hin zur unendlich ausgedehnten Rotverschiebung dann jeder Hörer für sich individuell beantworten. Ich persönlich hoffe auf eine Verquickung der Elemente Ambient und Metal im richtigen Maß beim nächsten regulären Album statt aufgewärmter Tribute an alte Zeiten, aber vielleicht trifft „Timewave Zero“ doch die richtige Resonanzfrequenz beim ein oder anderen Hörer. Reinhören also trotzdem angeraten.

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08.03.2022

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9 Kommentare zu Blood Incantation - Timewave Zero

  1. ultra.silvam sagt:

    Kann man machen, muss/sollte man aber nicht. Somit, für mich das überflüssigste Album des Jahres. Nicht mehr und nicht weniger.

  2. Schraxt sagt:

    Ein angenehmes Ambient-Album, aber nicht das, was man von Blood Incantation möchte.

    7/10
  3. Watutinki sagt:

    Gefällt mir sehr gut, ich liebe Ambient Alben und Blood Incantation haben da richtig was drauf. Allerdings ist es nichts besonderes, es reiht sich nur in die Riege toller Ambient Alben ein. Da haben WITTR etwas mehr Originalität bewiesen. Das Ganze als Side Projekt zu vermarkten, quasi als Spin-off zur Blood Incantation Welt, wäre finde ich zudem sinnvoller gewesen.
    Vollständig hören kann man es hier: https://www.youtube.com/watch?v=sO20zB9Xu9E&t=1055s

    8/10
  4. Stormy sagt:

    Musik für Menschen die keinesfalls Musik hören möchten, mit Stille aber auch nicht klarkommen.

    3/10
  5. Nether sagt:

    Schöne Definition, @Stormy.
    Der Moment, in dem weißes Rauschen auf Platte gebannt wird. Bald auch als blaues Vinyl in der Extended Walgesang Edition.

  6. Watutinki sagt:

    Ich habe früher sehr gerne OVAL gehört. Der Musiker hat CD-Hänger gesampelt und daraus experimentelle Ambiet Alben gefertigt. Geiler Stoff.
    Etwas für surealle Klangeftischisten, vielleicht achte ich deshalb so sehr auf die Produktion.
    https://www.youtube.com/watch?v=cj3OFvrcoQA

  7. Stormy sagt:

    „vielleicht achte ich deshalb so sehr auf die Produktion“
    Sagt der Typ, der Clipping für ein Stilmittel hält.

  8. Cyi sagt:

    Das es ein Ambient Album werden würde, dies war mir schon vorher klar. Aber das es ausschließlich Ambient ist, das habe ich nicht erwartet.
    Ich habe Einsatzmöglichkeiten für die LP aber regelmäßig wird die Platte nicht auf dem Teller landen!

    Schade!

    4/10
  9. innex sagt:

    Man kann aufgrund des Genrekomplettwechsels dieses Werk nicht mit den vorherigen Werken vergleichen, aber ich hätte mir mehr brillianten Deat Metal gewünscht. Ich bin Ambient Platten durchaus nicht abgeneigt aber das hier ist einfach schlecht gemacht meiner Meinung nach. Das dann doch bitte den Profis überlassen und mit der nächsten Scheibe wieder da weiter machen wo Hidden History aufgehört hat.

    2/10