Blind Guardian - Somewhere Far Beyond (Re-Release)

Review

Noch bevor ich die Genialität von Werken wie „Imaginations From The Other Side“ oder „Nightfall In Middle-Earth“ ermessen konnte, zog mich „Somewhere Far Beyond“ in seinen Bann und begeisterte mich für die Musik der Krefelder Metal-Barden BLIND GUARDIAN. Und auch fünfzehn Jahre nach seiner Erstveröffentlichung hat das Album für mich nichts von seinem Charme verloren. Entsprechend freue ich mich natürlich über die Wiederveröffentlichung dieses Albums im Rahmen der Remasters-Serie zum zwanzigjährigen Bandjubiläum der großartigsten Metal-Band Deutschlands.
Mit ihrem vierten Werk gingen BLIND GUARDIAN erstmals über die Speed-Metal-Orgien der Frühphase hinaus und gaben einen dezenten Vorgeschmack auf jene keltischen Folk-Elemente, die drei Jahre später zum gewaltigen Erfolg des Album-Nachfolgers „Imaginations From The Other Side“ beitragen sollten. „Theatre Of Pain“ zeigte sogar die ersten (wenn auch noch ein wenig unbeholfen wirkenden) Gehversuche im Umgang mit orchestralem Bombast, der heute aus dem BLIND GUARDIAN-Sound nicht mehr wegzudenken ist.

Mit „The Bard’s Song: In The Forest“ enthält „Somewhere Far Beyond“ den wichtigsten Mitsing-Hit jedes BG-Live-Konzerts in seiner Ursprungsfassung, bei der die Band sich von Produzent Kalle Trapp dazu breitschlagen ließ, den ganzen Song in einem durchgängigen Einheitstempo zu spielen. Obwohl die Ballade natürlich noch immer ihre ganz besondere Magie versprüht, versteht man doch, dass BLIND GUARDIAN das Stück 2003 noch einmal neu aufgenommen haben. Obwohl es sich angeboten hätte hat man es aber leider versäumt, diese neue Fassung das Band-Klassikers als weiteren Bonustrack auf die Wiederveröffentlichung zu packen. Schade, denn genügend Spielzeit wäre auf dem Silberling noch vorhanden gewesen.
Statt dessen hat man lediglich die Demo-Versionen des unterbewerteten Speed-Krachers „Ashes To Ashes“ und des brillianten Openers „Time What Is Time“ als Bonustracks hinzugefügt. Letzteres ist textlich stark an den Film „Blade Runner“ angelehnt und ruft mit seinem genialen Outro stets zuverlässig Gänsehaut bei mir hervor. Bereits als Bonustracks der CD-Erstveröffentlichung bekannt war neben den beiden Cover Versionen „Spread Your Wings“ (genial) und „Trial By Fire“ (verzichtbar) auch die „Classic Version“ von „Theatre Of Pain“, die sich leider zu wenig vom Original unterschied und nun – ebenso wie übrigens auch die beiden Demo-Versionen – noch nicht einmal als alternative Fassung gekennzeichnet ist, so dass sich der unbedarfte Käufer zunächst wundern mag, warum das Stück – wie auch die beiden Bonustracks – zweimal auf der Tracklist des Backcovers auftaucht.

Das eigentliche Songmaterial überzeugt mit durchdachten Strukturen und vielen kreativen Ideen. Noch immer dominieren Speed-Metal-Kracher wie „The Quest For Tanelorn“, „Journey Through The Dark“ oder „Ashes To Ashes“ das Geschehen. Dazwischen tummelt sich aber auch die depressive Klavier-Kurzballade „Black Chamber“, das Dudelsack-Zwischenspiel „The Piper’s Calling“ oder der von einem ungewohnten Mid-Tempo-Groove dominierte zweite Teil des „Bard’s Song“, „The Hobbit“. Der Titeltrack „Somewhere Far Beyond“ entpuppt sich als siebeneinhalbminütiges Epos, das die unterschiedlichsten Songideen und Stimmungen aufgreift und zu einem harmonischen Ganzen verschmilzt.
Eigentlich hätte es dieses Album – wie auch BLIND GUARDIAN-Sänger Hansi Kürsch vor einiger Zeit in Interviews andeutete – verdient, nicht nur remastered, sondern komplett neu eingespielt zu werden. Dass sich die Krefelder Perfektionisten für ein solches Projekt jedoch nicht die nötige Zeit nehmen würden, sondern diese lieber in neues Material investieren, war abzusehen. Insofern müssen wir leider auf eine wirklich professionelle Version der Öko-Hymne „Theatre Of Pain“ oder ein noch durchschlagkräftigeres „Time What Is Time“ verzichten. Immerhin hat aber das neue Mastering den Songs gut getan und ihnen noch eine Spur mehr Power verliehen.

Wie bei allen acht remasterten Re-Releases wurden auch bei „Somewhere Far Beyond“ Cover-Artwork und Booklet leicht überarbeitet und auf ein einheitliches Layout gebracht. Hinzu kommen ein (englischsprachiger) Kommentar von Gitarrist Marcus Siepen zur Entstehung des Albums und ein Review-artiger Text (in deutscher Sprache plus englischer Übersetzung) von „Rock Hard“-Redakteur Michael Rensen, der den Stellenwert der Scheibe in der BLIND GUARDIAN-Diskografie näher beleuchtet. Wer „Somewhere Far Beyond“ noch nicht besitzt, sollte jetzt definitiv zugreifen. Doch auch Die-Hard-Fans, die bereits jede Veröffentlichung der Krefelder daheim im Schrank stehen haben, könnten sich überlegen, hier noch einmal Geld zu investieren. Der Trend geht definitiv zur Zweit-CD.
Als netter Gimmick für Komplettisten ergeben die buchartig gestalteten Schmalseiten aller acht Re-Releases übrigens das Bild der vom „Imaginations…“-Artwork bekannten Drachengitarre, wenn man sie in der Reihenfolge der Erstveröffentlichung nebeneinander stellt.

08.07.2007
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