“Imaginations From The Other Side”, das fünfte BLIND-GUARDIAN-Album aus dem Jahre 1995, ist mit Fug und Recht ein wegweisender Klassiker der deutschen Metalgeschichte, der für nicht wenige der Bedeutung von Meilensteinen wie KING DIAMONDs “Abigail”, “Hall Of The Mountain King” oder SANCTUARYs “Into The Mirror Black” nahekommen dürfte. Sogar Leute, die das Album nicht mögen oder den Krefelder Tüftel-Experten eher skeptisch bis true gegenüberstehen, kennen Hausnummern wie den Titelsong, “A Past And Future Secret” oder “The Script For My Requiem”.
Völlig zu Recht. Denn natürlich muss einem das alles nicht gefallen; man kommt aber nicht umhin, “Imaginations From The Other Side” eine in sich geschlossene Qualität beizumessen, die über persönlichen Geschmack hinaus geht. Alles an diesem Album ist stimmig und als Gesamtwerk höchst innovativ und originell. “Imaginations …” perfektionierte, was BLIND GUARDIAN bis 1995 entwickelten und bildete die Blaupause für alles, was sie in den folgenden Jahren veröffentlichten. Es ist die ideale Einstiegsdroge und die Quintessenz dessen, was die Magie des BLIND-GUARDIAN-Sounds ausmacht.
“Imaginations From The Other Side” – Eines der zeitlosesten Alben überhaupt
Es ist immer noch beeindruckend, wie komplett das Album 25 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung noch funktioniert. 25 Jahre? Genau, so alt werden wir also langsam und BLIND GUARDIAN nahmen das zum Anlass, um “Imaginations From The Other Side” ein gelungenes Jubiläumspaket zu spendieren. Herzstück ist dabei ein kompletter Live-Mitschnitt des Albums aus Oberhausen, der auch in Form einer DVD beiliegt. Coole Sache! Der Mitschnitt ist qualitativ selbstverständlich erstklassig, lässt aber angenehm thrashiges Club-Feeling nicht vermissen. Faszinierend ist vor allem, wie Frederik Ehmke dieses Album interpretiert. Sein Vorgänger und Original-Drummer Thomen Stauch zählt zu den stilprägendsten Drummern im deutschsprachigen Raum und prägte den Sound der Band lang ebenbürtig zu Gesang und Gitarren. Ehmke – technisch etwas versierter und von hörbar anderen Drummern beeinflusst – spielt das Material zwar auf seine individuelle Art und Weise, behandelt es aber mit liebevollem Respekt. Die Unterschiede verändern die Songs natürlich nicht, doch etwas aufgepeppt hört sich “Imaginations From The Other Side” in diesen gereiften Live-Fassungen schon an. Schön ist es auch immer wieder, unterbewertete Songs wie “I’m Alive” oder “Another Holy War” in Live-Versionen bewundern zu können.
Selbstredend ist auch das eigentliche Album Bestandteil des Re-Releases, hier allerdings im Sound des 2012er-Remasterings. Aufgehübscht wird die Tracklist von zwei Coverversionen: das bereits bekannte “The Wizard” von URIAH HEEP und die 1995 begonnene aber erst 2018 fertig gestellte Version des MICHAEL-SCHENKER-GROUP-Songs “System’s Failing”. Wie bei fast allen BLIND-GUARDIAN-Cover-Versionen gilt: Gelungene Umsetzung, aber skurrile Auswahl. Das Remastering ist ja bereits sein ein paar Jahren erhältlich und kann auf einschlägigen Plattformen testgehört werden, daher nur so viel: Es ist transparent und druckvoll, bringt einige Lead-Fills und Rhythmus-Gitarren besser gegenüber André Olbrichs recht laut gemischten Gitarrensoli zur Geltung und lässt gleichzeitig etwas von dem rohen Flemming-Rasmussen-Charme des Originals vermissen. Grundsätzlich wurde hier aber behutsam operiert, sodass das Sound-Update immerhin eine sinnvolle Ergänzung zum heiß geliebten (und eh produktionstechnisch unübertroffenem) Original darstellt.
BLIND GUARDIAN: Großer Klassiker in würdevoller Komplett-Edition
Zur Musik selbst muss freilich nichts gesagt werden. “Imaginations From The Other Side” ist von makelloser Gesamtschönheit, weil jede Note an exakt der Stelle sitzt, an der sie hingehört. Zudem zeigt es BLIND GUARDIAN als junge und doch gereifte Band, die von zügelloser Kreativität getrieben völlig ungeniert daran vorbei rockt, dass diese Musik 1995 eher Dino-Rock glich und Extreme Metal, Grunge und Groove Metal als der heiße Scheiß galten.
Da das umfangreiche Package wie immer bei Veröffentlichungen aus dem Hause BLIND GUARDIAN echten Value for the Money bietet, kann man sich “Imaginations From The Other Side” getrost erneut ins Regal stellen.
„Thrashiges“ Club-Feeling? Ist hier wohl nicht doch eher „trashig“ gemeint?
Wobei beides irgendwie wenig Sinn ergibt. Was wollte der Reviewer da wohl zum Ausdruck bringen?
… dass die visuellen Eindrücke des Mitschnittes in gewisser Weise an eine Clubshow einer Thrash-Band aus den frühen Neunzigern erinnert. Vor allem auch, weil BLIND GUARDIAN in den Neunzigern vom Auftreten her noch viel von einer Thrash-Band hatten. Nicht mehr und nicht weniger sollte ausgedrückt werden 🙂
Gut, dann ergibt das Sinn. Muss man aber auch erstmal drauf kommen. Danke für die Info!
Das war mein erster BG Album, ich fand es damals genial, aber etwas überambitioniert und überproduziert. Die lockeren Riffs der vorherigen Alben, sind eher schwergewichtigem Bombast gewichen. Hatte aber auch seinen Reiz. Finde das Cover auch bis heute unübertroffen, zumindest was BG angeht. Mittlerweile ist das ja leider sehr sehr austauschbar geworden, aber das war abzusehen gewesen.
Dieses ganze Re-Release Zeugs interessiert mich nicht, ich halte mich an das Orignal, ist in 98% dr Fälle immer die bessere Wahl.
So richtig gefällt mir nur die „Tales from the Twilight World“, bzw. stört mich da der Gesang am wenigsten.
,,Dieses ganze Re-Release Zeugs interessiert mich nicht, ich halte mich an das Orignal, ist in 98% dr Fälle immer die bessere Wahl.“
Ich glaub darum geht garnicht…
Künstler/Musiker haben so die Gelegenheit auf ein Album aufmerksam zu machen das vor zig Jahren rausgekommen ist. In den seltestens Fällen wurde großartig was verändert… Es geht nur um Medienpräsenz
Ich würde ja schon was darum geben, A Blaze In The Northern Sky mal mit so richtig fettem Deathcore-Sound zu hören..
Brauche das Re-Release zwar auch nicht unbedingt, grundsätzlich ist „Imaginations“ aber sicherlich in gewisser Weise das Herzstück der BG-Diskographie. Das liegt vermutlich daran, dass es auch das letzte Album ist, auf das sich die meisten Fans weitestgehend einigen. Danach ging ja dann das große Gejammer los und es gibt auch heute noch bei jedem neuen Album der Band zahlreiche Heulsusen, die grantig feststellen, dass BG nicht mehr klingen wie in den Neunzigern.
Ich persönlich mag alle Phasen der Band, sowohl die energetischen Frühwerke als auch die späteren bombastischen Alben. Tatsächlich ist „A Night At The Opera“ ingsgesamt sogar mein Favorit. Allein mit dem Debüt und mit dem noch aktuellen „Beyond The Red Mirror“ bin ich nie warm geworden. Das eine ist mit für die Band noch etwas zu roh und unbeholfen, da fehlen die großen Hymnen. Das andere ist mir schlicht too much: zu viel Bombast, zuviele Spuren, zu wenig Gänsehautmomente.
In den Achzigern und mittleren Neunzigern wollte ich sagen.