Black Sabbath - Heaven And Hell

Review

Oft spricht man davon, dass eine Revolution ihre Kinder frisst, doch in diesem Fall hätte bei näherer Betrachtung wohl die Mutter beinahe das Zeitliche gesegnet. „Heaven And Hell“ erscheint mitten in der Frühphase der New Wave Of British Heavy Metal und muss – obwohl sich das Album daran hörbar orientiert – für manch jungen Metal-Fan regelrecht altbacken geklungen haben.

Dennoch war genau das Gegenteil der Fall. Nach dem aus Sicht der Musiker notwendigen Rausschmiss von Ur-Sänger Ozzy Osbourne haben Toni Iommi, Geezer Butler und Bill Ward das Flaggschiff des tonnenschweren Riffings aufpoliert und mit einem neuen Anstrich versehen. Die Musiker haben hörbar an ihrem Spiel gearbeitet – weder konnte Iommi zuvor solche Soli spielen noch Ward derart grooven -, das Songmaterial ist deutlich härter und über weite Strecken kompakter, und die Produktion ist gnadenlos heavy. Der Dachbodenmief von „Never Say Die!“ und „Technical Ecstasy“ ist endlich einer frischen Brise gewichen.

Einen gewichtigen Anteil an der Qualität dieses Albums hatte ohne jeden Zweifel der von RAINBOW gekommen Sänger Ronnie James Dio, der für jeden Zentimeter, der ihm an Körpergröße fehlte, doppelt gut sang. Seine Frische und Power muss auf die Musiker regelrecht ansteckend gewirkt haben.

Heute ist „Heaven And Hell“ ein Monument, ein beinahe unantastbares Götterwerk, das jeden Metal-Fan in ekstatische Zuckungen versetzt. Dass der Longplayer sehr stark ausgefallen ist, steht denn auch vollständig außer Frage. Dennoch, setzt man die rosarote Brille einmal für ein paar Minuten ab, fallen selbst hier einige Schwachpunkte auf.

Die erste Hälfte des Acht-Trackers hat es ohne jeden Zweifel in sich. Der treibende Opener „Neon Knights“ baut sich immer dramatischer von Strophe zu Strophe auf, um dann im ersten Break nach knapp zwei Minuten an die Kette gelegt zu werden. Solche Arrangements schaffen nur die ganz Großen.

Das nachfolgende „Children Of The Sea“ ist epischer angelegt, beginnt balladesk und trumpft mit einem gigantischen Chorus auf, bevor „Lady Evil“ – eingängig und treibend – den Bogen zurück zum simplen Heavy Rock schlägt. Der folgende Titelsong ist nichtmehr und nicht weniger als eine Legende, und das völlig zu recht. Diese Dramatik mit den herkömmlichen Mitteln einer Rock-Band konnten bis heute nicht allzu viele Bands erzeugen.

Seite B biete da ein wenig mehr Anlass zur Kritik. „Wishing Well“ erinnert tatsächlich ein wenig an RAINBOW und kann mit seinem leichten Hang zur Psychedelic nur bedingt überzeugen. Eine Platzierung hinter dem Titelsong, das sei der Fairness halber erwähnt,dürfte allerdings so ziemlich jedem Musikstück das Genick brechen. „Die Young“ treibt ähnlich „Neon Knights“, wird zwischenzeitlich von einem ruhigen Part unterbrochen und ist im Vergleich zur „Vorlage“ eher schwächlich. „Walk Away“ ist ebenfalls kein Meilenstein, doch mit dem Rausschmeißer „Lonely Is The Word“ bekommen BLACK SABBATH wieder die Kurve.

Natürlich hat „Heaven And Hell“ eine enorme musikhistorische Bedeutung, und natürlich ist es ein sehr gutes Album. Romantische Verklärung ist demnach nicht verwerflich, dennoch liegen die genannten Kritikpunkte auf der Hand. Der durchschnitt wurde von dem Quartett locker überboten, ein vollkommenes Gesamtwerk ist ihm dennoch nicht gelungen. Als Einsteiger-Album in die Post-Ozzy-Ära eignet sich „Heaven And Hell“ allerdings ganz hervorragend, denn BLACK SABBATH haben hier ihren Stil für viele weitere Jahre definiert und machten sich zumindest rückblickend auch für Metal-Fans abseits des zähfließenden Doom interessant.

01.01.2010
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