Bipolar Architecture - Depressionland

Review

Soundcheck Dezember 2022# 6

BIPOLAR ARCHITECTURE ist eine deutsch-türkische Band aus Berlin und Istanbul und verortet sich selbst im Blackgaze und Post-Metal, zwei interessante Genres mit einer diversen Spannbreite. Nach einer EP und zwei Singles hat die Gruppe um Songwriter, Sänger und Gitarristen Sarp Keski nun ihr erstes Album „Depressionland“ Anfang August veröffentlicht. Scheint also schon einmal keine fröhliche Angelegenheit zu werden.

BIPOLAR ARCHITECTURE schauen nicht nur auf ihre Füße

Wusstet ihr eigentlich, dass der Begriff „Shoegaze“ von der britischen Musikpresse erfunden wurde, die bei Auftritten von Künstler:innen des Genres immer den Eindruck hatten, dass diese ständig nur auf ihre Füße starren? Blackgaze ist dann letzten Endes das Ganze mit mehr Black-Metal-Elementen und der Opener und Titeltrack von „Depressionland“ hat gerade in Sachen Riffs und Atmosphäre den Shoegaze definitiv im Blut, die schwarzmetallischen Elemente sind aber ebenso präsent. Das bedeutet: weniger auf die Schuhe starren, mehr die Haare schwingen lassen.

Neun Songs bietet „Depressionland“, diese sind mal post-proggy verspielt wie „The Criticizer“ und „Dystopia Is The Reality“, mal geben sie relativ straight auf die Rübe, wie „Expectations“. Doch das umreißt nur die ungefähre Richtung, in die sich BIPOLAR ARCHITECTURE bewegen. Die einzelnen Stücke schaffen es, Gänsehautmomente und Atmosphäre zu transportieren, wie es sie nur selten gibt. Das beweist das großartige „If Words Were Swords“, welches (bei dem Titel schon fast philosophisch) ohne Worte, aber mit extra viel Gefühl auskommt. „So I Altered“ hingegen hat Riffs, die schon arg djentig klingen.

Ein schwarzer Strauß voller Ideen – „Depressionland“

Es ist fast schon unverschämt, wie viele gute Ideen sich in „Depressionland“ verstecken. Das Album ist von vorne bis hinten ausgereift, verspielt und – es kann nicht oft genug gesagt werden – verdammt atmosphärisch. Zudem ist die Produktion der Scheibe glasklar, angenehm organisch, lässt den Instrumenten wie dem Gesang genug Raum. Sie ist druckvoll, sauber und hat kein künstliches Gerumpel.

Das letzte Debütalbum im Shoe- und Blackgaze-Bereich, das vom Fleck weg einen so vom Hocker gehauen hat in Sachen Atmosphäre und musikalischem Können war die „Souvenirs D’un Autre Monde“ von ALCEST und das ist jetzt auch schon fünfzehn Jahre her. Man stelle sich nun ein Doppelkonzert beider Bands in einer spärlich beleuchteten Location mit glasklarem Sound vor, wobei diese beiden Alben hintereinander weg gespielt werden. Die Erpelpelle würde noch nach einigen Tagen nicht verschwinden.

„Depressionland“ macht nichts falsch

BIPOLAR ARCHITECTURE liefern mit „Depressionland“ ein komplett ausgereiftes Werk, das sich auf seinen neuen Stücken in fünfzig Minuten sehr wenig Blöße erlaubt. Die Band liefert einen heißen Anwärter auf das beste Debütalbum des Jahres 2022 und sollte von jedem und jeder, die Genres, die auf „-gaze“ enden mögen, ausgecheckt werden.

04.09.2022

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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14 Kommentare zu Bipolar Architecture - Depressionland

  1. Edgecrusher sagt:

    Ich hatte das vergnügen die Band live beim Steel Meets Steel Open Air zu sehen, die Band ist wirklich einfach Einzigartig. Die Mischung machts am Ende. Der Titel Depressionland passt wie faust aufs Auge, sehr down getunt und deep, hat einen Hauch von Gojira, wer die Gelegenheit hat sich die Jungs mal Live anzusehen sollte dies auf jeden fall tun.

    10/10
  2. Watutinki sagt:

    Geniale Mucke, keine Frage. So auf den ersten Hördurchgang fehlt mit aber das Besondere. Etwas das Alcest oder An Autumn for Crippled Children zu Hauf mitbringen. Bipolar Architecture klingen etwas generisch, etwas austauschbar, vielleicht ein wenig so generisch wie der Titel Depressionland. Aber musikalisch ist das schon richtig stark.

  3. nili68 sagt:

    Achtung, das ist nur Meinung (!): Interessant, wie unterschiedlich Geschmack und Wahrnehmung mal wieder sein können. Ich finde das hier nämlich eine Gazillion mal besser, als die von dir genannten Bands, auch was die Originalität angeht, sehe ich das eher anders herum, auch wenn Alcest Wegbereiter waren. Wie ich aber Eingangs schon sagte.. 😉

    9/10
  4. Watutinki sagt:

    Wäre interessant zu erfahren, wie Du Originalität bestimmst, aber wie Du schon sagt, letztlich Geschmacksache und ist auch gut so! ;))

  5. Watutinki sagt:

    Ich finde dass bei Alcest und An Autumn for Crippled Children eher der atmosphärische Faktor im Vordergrund steht. Bei Bipolar Architecture scheint mir dagegen gerade der rein musikalische Aspekt viel ausgeprägter zu sein, es hat ja tlws. schon fast etwas progressives an sich.

  6. nili68 sagt:

    Naja, wenn’s nicht superoffensichtlich ist und man keine musikwissenschaftliche Qualifikation braucht, um Originalität zu bestimmen, dann.. auch auf die Gefahr hin, dass man mir jetzt vorwirft den Watutinki zu machen 😀 , hab‘ ich das einfach im Gefühl. 🙂 Darum geht’s doch bei Musik und Kunst generell letzten Endes und da braucht es nichts „Offizielles“. Ich hoffe, das was jetzt nicht zu verworren.. 😀

  7. Watutinki sagt:

    Ich kann mich nicht erinnern, dass ich dieses Bauchgefühl Dings jemals als Argumentationsgrundlage verwendet habe, aber gut. ;)) Wobei, manch mal kommt man gegen Ende an einen Punkt… aber wir waren ja gerade erst am Anfang. ;))

    Jedenfalls schon geile Mucke, wobei ich die Produktion auch etwas anders… aber egal.
    Kommt jedoch nicht von meinem Lieblingspabel, hat also im Soundcheck keine Chance. Ok, der war jetzt nicht fair, ich nehms zurück!

  8. nili68 sagt:

    Ich finde, bei Kunst ist Bauchgefühl eigentlich die beste Grundlage. Alles andere ist doch nur akademisches Geschwafel, dass auch keine Verkäufe und Chartplatzierungen bringt. Daran misst man doch Kunst.. oder nicht? 😉 😀

  9. Watutinki sagt:

    Muss mal schauen ob es dann vielleicht auch von der Mahlzeit abhängig ist. Vielleicht kann ich mir ja sogar Crematory noch hübsch essen?? Hübsch trinken hat jedenfalls nicht funktioniert. :))

  10. onlythewindremembers sagt:

    Für mich kommen da eher Vibes von FEN rüber. Aber muss ich mich mal intensiver reinhören.

  11. ClutchNixon sagt:

    Wie sagt doch der Franzose so schön: Right down my alley!

    9/10
  12. L33kB0y sagt:

    Macht mir richtig Spaß beim hören und wird sicherlich noch viele Durchläufe bekommen. In meinen Ohren ein starkes und kreatives Werk, dass zum Augen schließen, genießen und treiben lassen einlädt.

    Eine kleine (verschmerzbare) Schwäche nehme ich aber wahr.
    Der Gesang ist mir einen Tick zu dünn. Eine Idee mehr Tiefe, Volumen und Variabilität hätten es für mich noch geiler gemacht.

    Nach 1x hören deshalb ne starke 8/10

    8/10
  13. ultra.silvam sagt:

    Mh, also wirklich vom Hocker haut mich das jetzt nicht. Dachte bei der Review und dem Vergleich zur ALCEST’s Meisterwerk „Souvenirs D’un Autre Monde“ schon Wunder was da jetzt kommt, aber der Gesang allein ist schon viel zu ausdruckslos. Das haben in Sachen Blackgaze schon andere viel besser gemacht, und an Alcest kommt das definitiv nicht ran.

  14. nili68 sagt:

    Rein rhetorisch/wertungsfrei: Was finden nur alle an Alcest? Ich finde die total öde.