Bethlehem - Lebe Dich Leer

Review

Soundcheck Juni 2019# 6 Galerie mit 6 Bildern: Bethlehem - Prophecy Fest 2019

BETHLEHEM hatten schon immer ihre ganz eigene Nische im Dickicht der Metalgenres. Die Band um Mastermind Jürgen Bartsch gilt schon mit ihren frühen Alben „Dark Metal“ und „Dictius Te Necare“ als einzigartig und in der Rückschau als Startpunkt der nach dem Titel des Erstlings benannten Spielart und daneben als Mitbegründer des DSBM. Nach einer experimentellen Phase ist die Truppe mit dem letzten Album „Bethlehem“ wieder näher an die Ursprünge herangerückt. Laut Bartsch ist dies eine bewusste Entscheidung gewesen (das entsprechende Interview findet Ihr hier). Man befinde sich nun in der dritten (und somit letzten) kreativen Phase. In der soll es nur noch um den „Spaß an der Freude“ gehen. Eine interessante Bezeichnung für das verstörende Klangbild, das den typischen BETHLEHEM-Sound ausmacht.

„Lebe Dich Leer“ führt die kreative Endphase BETHLEHEMs fort

In der Tat klang das letzte selbstbetitelte Album wieder mehr nach dem wegweisenden Frühwerk. Das lag einerseits natürlich am Songwriting, andererseits aber auch am Beitrag von Onielar (DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT) an den Vocals. Ihr Gesang erinnert an den von Rainer Landfermann, bringt aber doch gleichzeitig eine eigene Charakteristik mit, die den Hörer sofort in ihren Bann zieht und den kreativen Wahnsinn, der den Bartschschen Kompositionen innewohnt, gekonnt umspielt.

„Lebe Dich Leer“ eröffnet mit „Verdaut in klaffenden Mäulern“ im Midtempo. Das Riff – unterschiedliche Inszenierungen durchlaufend – wird dabei zum willigen Vehikel für Onielars sinister krächzende Unheilsverkündung. Für Abwechslung sorgen – wie auf dem gesamten Album wiederkehrend – gekonnte Rhythmus- und Tempowechsel. „Ich weiss ich bin keins“ ist ein erster betont atmosphärischer Moment und beginnt mit schwerem Basslauf und Synth-Klängen. Der flüsternde Sprechgesang trägt zur morbiden Stimmung bei, bevor er zum verzweifelten Schreien wird und den Hörer in eine depressive Klangwelt der Hoffnungslosigkeit reißt. Ausufernd und episch kommt das extrem dunkel und schleppend einleitende „Wo alte Spinnen brüten“ daher – ein Monument an Schwermut und Finsternis. „Dämonisch im ersten Blitz“ überzeugt mit griffiger Melodie, die alternierend in gitarren- und basslastiger Interpretation vorgetragen wird. Mit großartigem Rhythmus punktet dagegen „Ode an die obszöne Scheußlichkeit“. Der Track legt dabei ein flottes Tempo vor und gefällt mit äußerst dunklen Zwischentönen. Letztere finden sich auch in „Aberwitzige Infraschall-Ritualistik“. Ein Song, der den Hörer treibt, ihn dann in leisen Passagen verschnaufen lässt, nur um ihn hernach mit tiefschwarzem Stakkato niederzuknüppeln.

BETHLEHEM wandeln weiter zwischen Genie und Wahnsinn

Insgesamt klingt „Lebe Dich Leer“ so derangiert wie genial inszeniert und ist dabei in jeder Sekunde pulstreibend und mitreißend. Ein beeindruckendes Album, das mal wieder unverkennbar BETHLEHEM ist, anders lässt es sich kaum beschreiben. Es packt Dich, wühlt seine Klauen ins Fleisch, schleudert Dich wütend umher, nur um Dir dann kurz mit einem fast gütigen Grinsen auf von Wahnsinn entstellter Fratze zärtlich übers Haar zu streichen, bevor es Dich endlich vollends in Stücke reißt und Dein Gerippe zerschmettert. Die prägenden Elemente sind neben einer beängstigenden Aggressivität die gekonnt inszenierten Wechsel in Sachen Tempo und Rhythmus, sowie der Dualismus aus sirrend-schreiendem Gitarrensägen und dumpfen, von roher Gewalt geprägten Bassknüppeln. Die leisen, depressiv-zerbrechlichen Zwischensequenzen und Onielars Kreischen, das den betörenden Charme akuter Geisteskrankheit versprüht, vervollständigen das Bild. Da kann man nur hoffen, dass die letzte kreative Phase der Band noch lange anhalten wird.

 

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18.05.2019

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