Bent Knee - You Know What They Mean

Review

Dass BENT KNEE einige von der Prog-Szene hoch geschätzte Platten in ihrer Diskografie haben, erweist sich für die Bostoner fast als Segen und Fluch zugleich. Einerseits hat die Band mit ihren ersten drei Alben Großes für den modernen Prog geschaffen, auf der anderen Seite bleibt natürlich nicht aus, dass die Band mit dieser Leistung immerzu gemessen wird. Schon mit „Land Animal“ zeigten die Damen und Herren einen Sound, der etwas mehr in Richtung Pop wanderte und die pure Experimentierfreude vor allem vom Vorgänger „Say So“ vermissen ließ. Entsprechend machte es die Prog-Szene dem Album, das gleichzeitig das Debüt bei InsideOut Music markierte, nicht leicht.

Glück im Unglück?

Zwei Jahre später setzen BENT KNEE mit „You Know What They Mean“ nach. Der neuen Platte geht eine interessante Vorgeschichte voraus, die mit einem Unfall von Schlagzeuger Gavin Wallace-Ailsworth sowie ein Unglück ihres Tourbusses während einer US-Tour zu tun hat. Wallace-Ailsworth brach sich nach einem Auftritt ungeschickterweise den rechten Knöchel und musste daher für den Rest der Tour durch GATHERERS-Schlagzeuger Adam Cichocki ersetzt werden. Beide Geschichten haben die Band natürlich ein Stück weit frustriert und wirkten sich indirekt auf den Sound von „You Know What They Mean“ aus.

Dabei rücken die Bostoner noch weiter weg von der Progressivität ihrer früheren Tage, bringen dafür ein Stück weit die Rohheit speziell vom Debüt wieder zurück, ohne allerdings dessen düstere Stimmung mitzunehmen. Stattdessen sollte „You Know What They Mean“ die positiveren Vibes des Vorgängers beibehalten und der Negativität trotzen. Der Sound bleibt also peppig, hat aber eine neu- bzw. wiedergefundene Heaviness inne. Ergebnis: Das Album ist bei weitem nicht so poppig geraten wie der Vorgänger, sondern zeichnet sich stattdessen durch erfrischende Härte aus. Denn das Sextett klingt auf „You Know What They Mean“ wie eine Band, die den Prog mal Prog sein lässt und stattdessen einfach nur mal richtig Dampf ablässt.

BENT KNEE lassen gehörig Dampf ab

Und das bekommt der Hörer schnell zu spüren. Das einleitende, als Intro fungierende „Lansing“ geht fließend über in den ersten richtigen Song „Bone Rage“, der den Hörer sofort mit lärmenden Gitarren und verzerrten Schreien aus dem Hintergrund unter Beschuss nimmt. Die Härte lässt auch im folgenden, tranigen Rhythmus mit hypnotischen Riffs nicht nach, die sich gut mit Courtney Swains ausdrucksstarker und kräftiger Stimme ergänzen. Da darf sich die charismatische Frontfrau mit dem raumfüllenden Sprachorgan mittendrin auch einfach mal den Frust von der Seele schimpfen – und dabei vom nicht minder inbrünstigen Gebell ihrer Band sekundiert werden.

Oh ja: BENT KNEE kompensieren das einfachere Songwriting mit einem Sound, der stellenweise fast ein bisschen in Noise Rock- und Grunge-Gefilden wildert, dabei jedoch einen Weg findet, ihre Art-Rock-Seite stilvoll in Szene zu setzen. So findet im folgenden „Give Us The Gold“ Chris Baums Violinenspiel deutlich mehr in den Sound hinein und schmückt diesen mit schönen Streicherlinien aus. Zudem wohnt dem Song ein leichter Swing inne, der vor allem durch Swains Performance verstärkt wird. Beides nimmt ein bisschen Härte aus dem Track heraus und grenzt ihn so geschickt vom vorangegangenen Stück ab.

„You Know What They Mean“ setzt auf Härte

Der Song geht dann wunderbar fließend in das folgende „Hold Me In“ über, das dank prominenterer Swing-Note so klingt, als sei es aus den Wellen entsprungen, die der vorangegangene Song geschlagen hat. Das ist überhaupt eine große Stärke, die „You Know What They Mean“ hat: Viele Tracks gehen geschmeidig ineinander über, was für einen natürlichen Flow der Platte sorgt. Dieser wird noch weiter verstärkt durch die Tatsache, dass die Band ihren Sinn für dynamische Songs glücklicherweise nicht aus dem Sinn verloren hat, weshalb das auf angenehme Weise naiv klingende „Bird Song“ wie auch das stimmungsvolle „Golden Hour“ ebenfalls so wunderbar in die Trackliste passen und nicht wie Falschgeld dastehen.

Dieser Sinn für Dynamik ist hier lediglich der neuen Härte untergeordnet. So schaltet ein „Cradle Of Rocks“ zwischen treibendem Rock und einer atmosphärischen, Synth-getriebenen Hook hin und her. Indes ebbt „Catch Light“ mittendrin mal kurz komplett ab, um aus der Stille heraus umso durchschlagskräftiger wieder zu kommen. Der Song enthält auch wieder so einen swingenden Ryhthmus, der, teilweise aus der digitalen Konserve kommend, sogar leichte Hip Hop-Anklänge zeigt. Ihre Noise-lastige Seite zeigen die Bostoner dann vor allem bei „Garbage Shark“, bei dem die Gitarren mitunter dissonant und richtig gequält aufjaulen.

Sackgasse oder Möglichkeit für BENT KNEE?

Dass BENT KNEE noch mehr Distanz zum experimentellen Prog – mehr denn je vielleicht – wahren, gleicht die Band also gewohnt dynamisch und mit viel Energie wieder aus. Das wirft natürlich die Frage auf, wohin es von hier aus gehen wird, da diese Entwicklung bereits ein Stück weit auf dem Vorgänger sichtbar gewesen ist. Andererseits ist die lärmende Seite der Bostoner überzeugend umgesetzt, sodass sich von hier aus sicher ebenfalls gut weiter arbeiten lässt – idealerweise natürlich wieder in eine experimentellere Richtung. Und mit der gewohnt verlässlichen Über-Stimme Swains sowie instrumentalen Top-Leistungen an allen Fronten bleibt die Band konsistent.

Wie gesagt: Es lässt sich nicht ganz absehen, wohin es die Band von hier aus kreativ treiben wird bzw. ob „You Know What They Mean“ ein Indikator für die künftige Marschrichtung sein wird. Doch das Mehr an Lärm und Härte, das auf der neuen Platte Einzug gehalten hat, macht das Album in jedem Falle zu einer erfrischenden Angelegenheit, die BENT KNEE auch für Fans der metallischeren Gangart interessant machen dürfte. Tatsächlich dürfte das Sextett mit „You Know What They Mean“ sogar eine wunderbare Einstiegsdroge für ebendieses Publikum geschaffen haben. Also ran an den Speck, solange er noch heiß ist!

20.10.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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