Bent Knee - Land Animal

Review

BENT KNEE feiern ihren Einstand auf InsideOut mit einem Album, das mehr denn je eine gewisse Vertrautheit bietet. Das macht das Songwriting der Bostoner zwar nicht minder abenteuerlich. Anders ausgedrückt: Das Sextett findet nach wie vor alle möglichen und unmöglichen Wege, um seine Hörer umzuhauen. Allein schon das, was Ausnahmesängerin Courtney Swain wieder einmal vom Stapel lässt, dürfte allerhand Münder aufklappen lassen. Doch erforscht die Band dieses Mal den eigenen, bereits etablierten Kosmos, anstatt diesen gänzlich umzukrempeln. „Land Animal“ klingt auf den ersten Hör entsprechend erst einmal etwas ernüchternd. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glatt meinen, dass die Bostoner das Verträumte von „Say So“ genommen und durch die hart rockenden Ecken und Kanten des Debüts ergänzt haben. Das ist zugegeben auch die erste Assoziation, die unsereins beim Hineinhören in das Album gekommen ist.

Der vertraute BENT KNEE-Sound?

Diese Vertrautheit ist nicht selten eine Einbahnstraße, aus der sich viele Prog-Bands nur mit Weh und Ach zu befreien vermögen. Doch was die Band tatsächlich hier mit ihrem Sound angestellt hat, entfaltet sich wie so oft erst dann, wenn man sich durch die Oberfläche des Albums hindurch geboxt hat. Zwar lässt die nach wie vor sagenhafte Courtney Swain mit ihrer Stimme durchgehend die Sonne aufgehen. Doch der Pop-Appeal der beiden vorangegangen Alben wurde etwas zurückgefahren. Die eingangs erwähnte Vertrautheit bedeutet natürlich nicht, dass das Songwriting nicht doch für die ein oder andere Überraschung gut sein kann. Die Band versteht es nach wie vor, Tracks zu präsentieren, welche einige gewitzte Wendungen zu nehmen wissen.

Der Opener „Terror Bird“ stellt dabei noch einen der konventionelleren Tracks dar. Hier schaltet die Band im wesentlichen lebhafte Melodien mit schroffen Gitarrenwänden hintereinander. „Holy Ghost“ beginnt ominös, bevor der Song sich in einen peppigen Rocker verwandelt, der fast schon beiläufig progressiv ist. Zum Ende hin baut die Band mächtig Spannung auf, die dann in etwas mündet, was man fast schon als Mic-Drop-Moment bezeichnen kann. „Time Deer“ beginnt ebenfalls peppig, fast schon punkig, spielt im weiteren Verlauf immer wieder mit verträumten Melodien. Das letzte Drittel des Tracks dagegen wirkt fast schon tribal und ursprünglich. „The Well“ beginnt mit einem schleppenden, seltsam humpelnden Rhythmus, normalisiert sich dann allmählich wie einst Keyser Söze und mündet in einen geradezu spöttischen Part. „Boxes“ dagegen wirkt fast schon ein bisschen wie ein Trauermarsch. Das passt auch zur Thematik des Tracks, weil es im weiteren Sinne ums Sterben geht.

Der Mensch, das „Landtier“, im Mittelpunkt

Wo wir gerade dabei sind: „Land Animal“ erzählt im Grunde eine Geschichte über die titelgebenden „Landtiere“. Und mit denen sind wir Menschen gemeint. Einerseits wird dessen Abstumpfung gegenüber den immer alltäglicher werdenden Nachrichten von Kriegen und Schicksalen auf der Welt thematisiert („Terror Bird“). Vor allem ist es die Frage nach der Gleichgültigkeit und den damit einher gehenden Schuldgefühlen. Auch Erfahrungen der Band selbst wie der enorme Druck zur Kreativität werden verarbeitet („Land Animal“). Mitunter werden die Lyrics und Swains Darbietung derselben aber auch zynisch. Das passiert zum Beispiel bei „The Well“, bei dem es um die Klimawandel bzw. dessen Verleugnung geht.

Trotz der sehr kritischen Thematik lässt sich „Land Animal“ auch dank des warmen Sounds jederzeit gut hören. Wer für sich dennoch das Maximum aus dem vierten Album der Bostoner heraus holen möchte, muss sich einige Zeit hiermit beschäftigen. Denn das Album weist wie auch seine Vorgänger eine enorme Tiefe auf, die man angesichts des vertraut wirkenden Sounds möglicherweise schnell unterschätzt. BENT KNEE laufen zugegeben auch Gefahr, kitschig zu werden. Und vor allem der Titeltrack schrammt zwischendurch kurz mal an dieser Gefahrenzone vorbei, fängt sich dann aber zum Glück wieder. Kurzum: Wer sich die Zeit nimmt, wird mit einem hervorragenden Album belohnt, das seinen Vorgängern nur auf den ersten Hör hinterher hinkt. Doch es hat wie auch sein Vorgänger einen geschmeidigen Flow und ausreichend Tiefgang, um ein langzeitiges Hörvergnügen zu garantieren. Musikalisch und technisch stimmt hier ohnehin alles.

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16.06.2017

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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