Behemoth - The Satanist

Review

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Was kann man sich eigentlich von einem neuen Album einer etablierten Band erhoffen? Dass es mindestens genauso gut ist wie sein Vorgänger? Besser? Viel besser? Oder dass es sich nicht um innere Erwartungshaltungen schert und, im Falle BEHEMOTHs mit neun Alben in nun mehr als 20 Jahren Bestehen nicht das Naheliegendste, über eine bislang nachvollziehbar geradlinige Stilentwicklung ohne eklatant abrupte Brüche hinaus in neues, überraschendes Terrain vordringt? BEHEMOTH selbst haben sich die Messlatte seit jeher Stück für Stück ein jedes Mal höher gelegt, waren aber spätestens seit „Demigod“ auf eine bestimmte Marschrichtung abonniert – wenn sie auch die nächsthöhere Qualitätshürde fast immer schadlos zu überspringen wussten. „The Satanist“ stellt nun aber nicht die Frage nach dem Besser oder Schlechter. Sondern die nach dem Anders. Damit überfährt es alle eventuell vorher entstandenen Erwartungen, eben weil es zum Einen so anders ist als erwartet – und zum Anderen so unfassbar gut.

Zäumt man das gehörnte Pferd von hinten auf, enthält „The Satanist“ strenggenommen genau einen Song („Amen“), der so auch auf „Demigod“, „The Apostasy“ oder „Evangelion“ hätte stehen können. Der Rest ist bei aller Besinnung auf erprobte Stilmittel von Elementen, Wendungen und Stimmungen durchtränkt, die ihn erheblich von dem wegrücken, wofür die Polen in der letzten Dekade standen. „Blow Your Trumpets Gabriel“ steht als Opener wohl nicht umsonst dort, wo früher reine Gewaltorgien wüteten. Die ersten Klänge lassen zwar wenig Zweifel an seinen Urhebern aufkommen; die sich in der Folge allmählich entfesselnde Dramatik eines schwarz stürmenden Requiems offenbart sich jedoch als erster Fingerzeig, dass „The Satanist“ kein Getriebener seiner Vorgänger ist.

Natürlich wäre „The Satanist“ kein BEHEMOTH-Album, würde Inferno nicht abermals in technisch makelloser Brillanz die klanggewordene Hölle entfesseln. Der Blast-Part zum Ende von „Amen“ ist hier einschlägig, ein unglaubliches Brett, die sprichwörtliche Faust in die Fresse und Ausdruck puren Zerstörungswillens. Die zornigen Ausbrüche treffen auf „The Satanist“ aber noch gewaltiger und effektiver, weil sie spätestens ab dem zweiten Album-Drittel als Gegenpole in einem Konstrukt funktionieren, das ansonsten fast schon simplere Strukturen mit Raum zum Atmen favorisiert – und das nicht unbedingt nur, weil „Ora Pro Nobis Lucifer“ mit konstant durchgetretener Double Bass im „Chant For Ezkaton“-Stil noch der am schnellsten zugängliche weil am geradlinigsten durchgezogene Song ist.

„The Satanist“ entpuppt sich so als ein bedächtig wachsendes Album, weil es erst im Nachgang seine wirkliche Tiefe eröffnet. Greifbar sind die teils hintergründig tönenden Streicher, Bläser und Chöre, die pointiert gesetzten Soli und die Finesse der Melodien ansonsten nicht in den ersten Durchgängen. „Furor Divinus“ und „Messe Noire“ zum Beispiel sind anfänglich pures Chaos und erst später verdaubar, letzterer durch seine Auflösung in angeschwärztes, fast schon klassisches Heavy-Metal-Riffing nebst Solo. Solche im BEHEMOTHschen Klangkosmos bis dato maximal durchs Dickicht eruptiver Gewaltphantasien durscheinenden Elemente sind mehr als aufmerksamkeitsheischendes Beiwerk und der Grund, wieso „The Satanist“ mehr als ihre bisherigen Veröffentlichungen zuvor durch eine geeinte Atmosphäre wirkt.

König ist der Titeltrack selbst. Weder Black noch Death sondern schwärzester Rock mit beim ersten Kennenlernen schockgefrierender Melodie, der selbst im Blast-Finale noch den posaunenbehäbigen Trauermarsch zu mimen vermag. Und weder im saxophonbegleiteten „In The Absence Ov Light“ noch der gedankenvollen und zugleich unprätentiösen Epik von „O Father O Satan O Sun!“ keimt irgendwann die Ahnung auf, irgendetwas könnte den Titel des Fremdelements im Konstrukt von „The Satanist“ verdienen. Nicht zuletzt ist dies auch ein Verdienst von Nergals Gesang, dessen Vocals mit hörbar weniger Effekten überlagert sind und somit ihrer gedoppelten Tiefe beraubt wurden. Das Ergebnis ist mitnichten eindimensionaler: was sie an voluminöser Abgründigkeit einbüßen, machen sie an Vielschichtigkeit wieder wett. So direkt, ehrlich und bissig spie Nergal seine Hasstiraden nie.

Faktisch leisten sich BEHEMOTH nicht einen Moment der Schwäche und haben zweifellos ein überaus unerwartetes Album geschaffen, mit dem sie sich ein erhebliches Stück neu erfinden. Zuletzt gelang ihnen dies mit dem unsterblichen „Demigod“ – erneut gelingt es Ihnen mit „The Satanist“. Drückten Nergal und BEHEMOTH ihre Sicht der Dinge zuvor hauptsächlich mit aller Macht und technischer Wucht in das Antlitz derer, die nicht hineinpassen, agiert „The Satanist“ weitaus organischer, subtiler und durchdringend sinistrer (um das plakative satanisch zu vermeiden), als es alle technische Brutalität der Welt vermag.

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04.02.2014

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22 Kommentare zu Behemoth - The Satanist

  1. Kazanian sagt:

    Ich begrüße die Abwechslung auch sehr! Jedoch finde ich nicht jeden Part so stark um die Höchstnote zu zücken. Einige Stücke sind richtig gut und der Weg hin wieder zu mehr Black Metal sagt mir auch zu. Jedoch ist dies noch nicht das absolute Maß der Dinge. 7-8/10 Punkten!

  2. Martin sagt:

    Absolut berechtigte Wertung mMn. Eine absolut diabolische und drückende Atmosphäre, die einem ne echte Gänsehaut einjagd. die Scheibe ist bisher das beste, was dem Metal in 2014 passieren konnte. (Bis dann Time II rauskommt :D)

    10/10
  3. Markus sagt:

    Die Höchstwertung ist absolut berechtigt. Das Album wächst und wächst von Durchlauf zu Durchlauf. Von der dunkelschwarzen Atmosphäre her muss ich öfters an Celtic Frosts „Monotheist“ denken.

    10/10
  4. Eugen sagt:

    Enttäuschung des Jahres. WAS – IST – DAS – FÜR – EIN – SOUND?!?

    6/10
  5. Der Erleuchter sagt:

    Der Sound klingt fuer mich besser als alles seit 2000. Weniger klinisch, und sie gehen auch vom Gefuehl her endlich wieder zurueck in Richtung Satanica. Gefaellt mir, da ich vor allem mit den Drums und dem verhallten Gesang seit Demigod so meine Problemchen habe.

    Und man kann sie nicht mehr mit Nile verwechseln ^^

  6. Thorsten sagt:

    Unfassbar geniale Scheibe. Ich hätte Behemoth niemals so ein vielseitiges Album zugetraut. Es gibt echt keine Sekunde die man hätte anders mache können. Da sitzt einfach alles. Ich hab das Album das vierte mal durchgehört und es wird nicht langweilig sondern immer besser.

    10/10
  7. Andreas sagt:

    Absolut geile Scheibe, bin vollkommen positiv überrascht, zwei Highlights an einem Tag. Scheibe ist direkter als die Vorgänger Scheiben und die Athmosphäre hat zumindest mich sofort.
    Das zweite Highlight deren Auftritt gestern, eine der besten Show’s ever wer die Möglichkeit sie noch zu sehen, sollte sich umbedingt diese Chance nehmen und dort hingehen, Pyroeffekte die, die schon kochende Halle noch mehr zum kochen gebracht hat. Cradle konnte da nur noch verlieren als Schlussact

    10/10
  8. Eugen sagt:

    Nach mehreren Kopfhörerdurchläufen bin ich klüger. 8 Punkte

  9. Master sagt:

    10… glatt. Tatsächlich. Hätte ich nicht für möglich gehalten.
    Wahrhaft göttlich… äh teuflisch… ach, scheiß drauf, geil halt.

    10/10
  10. The Bleak sagt:

    Überragendes Meisterwerk. Womöglich Album des Jahres.

  11. Alexander sagt:

    Ich kann mich der Meinung der meisten Leuten hier nur anschliessen. Mit jedem Durchlauf gefällt mir das Album besser, weil man immer wieder neue Details entdecken kann… Dieses Album ist einfach mehr als Musik.. es ist Kunst.

    10/10
  12. Renowly666 sagt:

    Habs gerade wieder zu Laufen, bereits das bestimmt 25. Mal. Und es wächst immernoch!
    Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wann ich das letzte Mal jemals solch eine vielschichtige Platte gehört habe. Mir fällt gerade nur Evisceration Plague von Cannibal Corpse ein, wo ich anfangs an „Durchschnitt“ dachte, dann jedoch immer mehr Ecken und Kanten erhört habe. Nur ist das kein Vergleich zur Gänsehaut-Orgie von Satanist – intensiv und bedrückend bis ins Knochenmark. Ich find’s einfach nur geil und denke, es wird Jahre dauern, bis die Platte sich „überhört“. 11/10! 😀

  13. Oskar sagt:

    Dies ist ein Meisterwerk, meine Herren.

    10/10
  14. Oliver sagt:

    Ein Meisterwerk in jedem Punkt! Mir fällt keine Kritik ein. Seit 2 Jahren höre ich dieses Album immer wieder, um diese Gänsehautmomente zu bekommen, die man einfach nur bei solch einer perfekten Komposition bekommt.
    Fazit: Mein Album des Jahres 2014
    Mein Lieblingslied: In the Absence OV Light

    10/10
  15. Sane sagt:

    Jap,auch bei mir kommt die immer wieder zum laufen und langweilt keine Sekunde.
    Hätte damals 8/10 gegeben,doch dafür ist die Platte zu gehaltvoll.

    9/10
  16. nili68 sagt:

    Musik geht in Ordnung, aber dieser ganze Satanskram, auf den zurechnungsfähige Menschen heutzutage keinen Fuck mehr geben, zumindest, wenn er so plakativ verarbeitet wird, verdirbt mir fast das anhören. Da muss man sich ja fast schämen, wenn das läuft und Leute, die des Englischen mächtig sind, in der Nähe sind.
    Die Bilder der Band sollte man, wenn jemand nicht gerade Lack & Leder-Fetisch trifft Muppet Show hat, auch eher mit der Bild Zeitung überdecken. Ist weniger peinlich…

    Die Musik ist, wie gesagt, aber ganz cool, deshalb „trotzden“ 8 Punkte.

    8/10
    1. Oli sagt:

      Nili, da musst du denk ich sehen wo Behemoth herkommen. Die machen das schließlich schon seit Mitte der 90er so und sind halt auch stark von Crowley und Thelema beeinflusst.

      1. maks sagt:

        Nur sind Behemoth auch älter geworden aber eben nicht reifer. Zumindest zeigen sie die Reife nicht.Behemoth sind für mich bspw. trotz aller Brutalität ein absolut durch und durch designtes Produkt und innerhalb dieses Produktes ist kein Platz für reife und durchdachte Texte. Ich stimme Nili68 absolut zu.
        Ich höre seit den 90zigern BM. Damals mit 14 oder 15 fand ich (als rebellierender Jugendlicher) die ganze Satansthematik furchtbar reizvoll, heute jedoch mit Mitte 30 fehlt mir dieser „Lack & Leder-Fetisch trifft Muppet Show“ und ich möchte gar nichts mehr an Hintergründen und Texten wissen, da mir die Musik so oft vermiest wird. Watain sind auch so eine Band: teilweise tolle Musik, hätte ich sie bloss nie live gesehen, texte oder Interviews gelesen.

      2. SaGi sagt:

        Behemoth sind sicherlich ein Kunstprodukt. Ihre gesamte Livedarbietung ist bezüglich Licht, Musik, Outfit, Deko aufeinander abgestimmt. Eine Show halt.
        Bei Watain verhält es sich etwas anders. Die sind wirklich so irre, wie sie sich geben.
        Um aber bei der Show von Behemoth zu bleiben:
        Was spricht gegen eine visuelle Umsetzung auf der Bühne? Sie liefern Unterhaltung, was man nun nicht grade von allen Bands des Genres behaupten kann. Ein Musical wie Starlight Express wäre nur mit Gesang von Akteuren in Jeans und T-Shirt wohl auch eher nicht so erfolgreich.
        Ob man auf den Satanskram kann oder nicht, muss jeder für sich selber entscheiden.
        Ich für meinen Teil finde eine passende optische Präsenz auf der Bühne jedenfalls angenehmer, als die drölfzigste Altstarband, die mit Sacko direkt vom Barbier auf die Bühne springt. Da bekomm ich nämlich das Schaudern. Und ich meine passende Optik! Eine Thrashband wie Kreator käme im Behemoth-Outfit wohl auch eher lächerlich rüber.
        Oder, wie es ein recht bekannter Musiker formulierte:
        „Wer hat den Deppen eigentlich eingeredet, dass KIK jetzt Metalmode im Sortiment hat?“

      3. nili68 sagt:

        Können ’se ja auch, nur mir persönlich ist das etwas zu lächerlich. Ist jetzt auch nicht weiter schlimm, an der Musik gibt’s ja nichts auszusetzen.
        Zum Thema Show: Ich glaube schon, dass die das alles ernst meinen… muß nochmal Interviews lesen und so. Auch das ist aber natürlich nicht verboten. 😉
        Wie jemand weiter unten anführte, sind mir Watain bei dieser Thematik auch noch in den Sinn gekommen.

        8/10
  17. Ben sagt:

    Gefällt mir gut! Aber kommt für mich nicht an „Evangelion“ ran.

    Dennoch eine schöne Platte!

    7/10
  18. ZER0 sagt:

    Geile Atmosphäre, geiler Sound… das beste Blackened Death Metal Album, was ich jemals gehört hab

    10/10