Behemoth - I Loved You At Your Darkest

Review

Viele sehen in „The Satanist“ das BEHEMOTH-Meisterwerk schlechthin. Ein Umstand, der die Erwartungshaltung an „I Loved You At Your Darkest“ wahlweise in die höchsten Höhen oder tiefsten Niederungen schnellen lässt. Was soll schließlich von einer Band kommen, die, wenn man „Demigod“-Jüngern glaubt, schon ein zweites Mal am Zenit ihres Schaffens angekommen ist? Die einfachste Antwort wäre: Einfach weiter machen und „The Satanist 2.0“ kreieren. Denn: Warum die Rezeptur verwerfen, wenn es doch alle hören wollen?

„I Loved You At Your Darkest“ wirkt zunächst wie eine Neuerfindung …

Nun, damit würden es sich BEHEMOTH ziemlich leicht machen und mal ehrlich: Dafür hätte es jetzt auch keine vier Jahre gebraucht. Stattdessen sorgen die Polen für eine interessante Dualität, denn einerseits haben sie einen Teil ihrer Bandhistorie scheinbar abgeschlossen, andererseits können sie ihre eigene Haut selbstredend nicht verlassen. Genau deshalb ist „I Loved You At Your Darkest“ vermutlich so unverhofft gut gelungen. Denn Nergal & Co. wollten und mussten – aufgrund des selbst auferlegten, kreativen Zugzwanges nach „The Satanist“ – etwas verändern. Und auf den ersten Höreindruck überrascht das Album: betende Kinderstimmen, opulente Klargesang-Parts und ein sehr rockiger Grundtenor, der nicht selten an ME AND THAT MAN erinnert.

Klingt und wirkt im ersten Moment wie Neuerfindung, aber das trifft nicht zu. Denn spätestens nach 2-3 Hördurchläufen schließt sich der aufgeklappte Mund, ohne dass das Werk an Begeisterung verliert. Denn bei aller Frische, die „I Loved You At Your Darkest“ mit sich bringt, so viel Altbekanntes, fast schon brüderlich Vertrautes hat das Werk in sich. Ist das von düsterer Spannung getränkte Intro „Solve“ verklungen, blastet „Wolves Of Siberia“ in voller BEHEMOTH-Wucht aus der Anlage. Aber bereits im Opener zeigt sich die Detailstärke der neuesten Formel: Nebst bitterbösem Geknüppel findet sich in der Mitte ein fast schon monumental dramatischer Zwischenpart, der den Gegenpol bietet und gleichzeitig die finstere Spannung zu einer Zerreißprobe erhebt.

BEHEMOTH schlagen trotz neuer Elemente den Bogen zur eigenen Vergangenheit

In „Dog = God“ zeigt sich der neue Charakter aber noch deutlicher: Statt überfallartig das Dauerfeuer zu setzen, wird auf einen stimmungsvollen, dramatischen Songaufbau geachtet. Auf Sperrfeuer verzichten BEHEMOTH hier zwar nicht, doch ist dieses hier mehr als Mittel zum Zweck eingesetzt, denn die vermehrten Breaks, die ergreifende Dramatik und die wiederkehrenden Kinderstimmen sorgen für Abwechslung und in der Folge für einen der vermutlich ganz großen Songs 2018 – inklusive singender Gitarre. Selten war das Böse so charmant, so prickelnd, so mitreißend. Das gilt auch für das darauf folgende „Ecclesia Diabolica Catholica“ dessen Leads die Dramaturgie des Songs bestimmen. Diese werden von der treibenden Rhythmusfraktion angestachelt und spätestens vom clean gesungenen Chorus zu einer Glanztat abgerundet.

So ließe sich stundenlang über die Feinheiten der einzelnen „I Loved You At Your Darkest“-Songs sinnieren und schwärmen. Denn auch „Bartzabel“, „Sabbath Mater“ oder das fast schon wehmütig schwebende „We Are The Next 1000 Years“ entfachen eine ähnliche Begeisterung und laden dazu ein immer wieder nach der nächsten Wendung zu suchen. Vermeintlich kritischer ist der Blick dagegen auf Songs wie „Rom 5 8“, die im ersten Moment nicht zur Gänze den Atem rauben, weil sie das herausragende Detailvermögen der erwähnten Songs nicht erfüllen – ideal in das Album einfügen, lassen sie sich trotzdem …

… und so ist es tatsächlich fast das Optimum, das BEHEMOTH aus der Post-„The Satanist“-Ära herausholen konnten. „I Loved You At Your Darkest“ hat auf den ersten Blick gar mehr mit einem einprägsamen, großen Rock-Album zu tun, als mit einer verkopften Extreme-Metal-Scheibe. Doch wie so oft, versteckt sich der ehrwürdige Teufel im Detail und lässt auch jenen, die viel Wert auf technische Raffinesse und verschrobenes, allerdings nicht unnötig vertracktes Songwriting legen, viel Raum zur Entdeckung. Ein direkter Vergleich zum Vorgänger verbietet sich fast und vermutlich lässt sich erst in einigen Jahren festhalten, ob es ein „besseres“ BEHEMOTH-Album gibt – doch das Niveau ist packend!

01.10.2018

Chefredakteur

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