Before There Was Rosalyn - The Führer (An Allegory Of A History Of Deception)

Review

Diese Platte ist schon ein echter Hingucker. Der aussagekräftige Titel, der ikonische, markante Stil im Artwork, welches die martialische, kalte Ästhetik der Propaganda der 20er und 30er Jahre widerspiegelt und die kapitelähnlich organisierten Songs wie z.B. „The Deceiver“ oder „The Prophet“ haben zunächst eine starke optische Wirkung auf den Betrachter.

Das Quintett aus Houston ist eine erklärte christliche Band, deren religiöse Vorstellungen auch direkt in Musik und Texte einfließen. „The Führer“ (der Referent dieser Allegorie ist eindeutig) ist ein Konzeptalbum über Macht und Machtmißbrauch, darüber dass „Macht korrumpiert und absolute Macht absolut korrumpiert“ (nach dem katholischen Historiker Lord Acton). Von Acton stammt auch das denkwürdige Zitat „Great men are almost always bad men.“
Es ist eine Allegorie auf den Führerkult als falsche Religion, Totalitarismus und Despotismus und geistige Verführer. Nicht ohne Grund werden in diesem Zusammenhang biblische Verweise bemüht, auf Götzenverehrung und vor allem die Schlange, die den Menschen zum Streben nach Allwissenheit und Macht verlocken will. Macht sich der Mensch zum Herrn über Gut und Böse, dann macht er sich zum Herrn über alles und stellt sich somit über Gott – so jedenfalls der theologische Unterbau.

Gekleidet wird dieses lyrische Konzept in melodischen Hardcore mit leichten Anleihen zu Metalcore und Emo, aber auch Post-Hardcore. Die Stücke haben auch durchaus ihren Reiz, einmal durch ihre größtenteils düstere Ausrichtung oder eben kleine Ausreißer wie der weibliche Gesang bei „The Belladonnamyth“. In diesen leider viel zu rar gesäten Momenten läuft die Band zu großer Form auf, ansonsten verbleibt man hier bei relativ überraschungsfreier Standardkost. Eventuelle Spielereien mit Samples, kleine Interludien oder anders geartete musikalische Experimente schienen der Band nicht ins Konzept zu passen, in der Gleichförmigkeit der Musik vermisst man sie daher umso mehr. Für Scheuklappenträger oder Die-hard-Fans mag das eine annehmbare Platte sein, aber unterm Strich bleibt hier nicht viel Herausstechendes.

So ganz ohne üblen Beigeschmack bleibt das Album auch nicht, wenn man bedenkt, dass sich die Band in erster Linie als „minister“ sieht, der die Befreiung und das alleinige Heil der Menschen durch Hinwendung zu Gott predigt bzw. dass die Menschheit eben ohne Gott nicht überleben kann. Nun handelt es sich bei den Männern aus Houston zwar nicht um Fundamentalisten mit radikalen Ansichten, aber so ganz unreflektiert sollte man bei einem solch interessanten Thema eben auch nicht seinen eigenen Standpunkt lassen, gerade wenn man solche Danksagungen an Gott wie „without you I am nothing“ ins Booklet schreibt.

25.11.2009

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