Beatsteaks - S/t

Review

Galerie mit 11 Bildern: Beatsteaks Rock am Ring 2017

Die Vorboten zum „s/t“-Album der BEATSTEAKS hätten nicht gegensätzlicher sein können. Zum einen gab es das rockig-rotzige „DNA“ und damit die konsequente Weiterführung von DIE ROYS – ein Spaßkonzept der BEATSTEAKS, bei dem jedes Bandmitglied einen anderen Platz einnahm. Dann gab es aber noch das taumelnde „Gentleman Of The Year“, ein deutlicher Hinweis auf den Spaß an tanzbaren Rhythmen, wohl am besten nachzuvollziehen via Totze und Teutes Aktivitäten als DJ-Team FRA DIAVOLO. Per Video umgesetzt mit einem Arnim, der als „Travolta für Arme“ debütierte und erstaunlich gut den Vorstadt-Gigolo mimt. Tatsächliche Hinweise auf das zu erwartende Album gab es keine, lässt der „s/t“-Titel aber zumindest auf die Rückbesinnung alter Tugenden schließen. Aber wollen wird das wirklich? Wünschen wir uns wieder die einfache Punk Rock-Truppe, Texte wie „…In unsa geilen Band ham wir einen Bassplayer, der steht neben Manowar ziemlich dolle auf Slayer….“ oder haben die BEATSTEAKS nicht doch noch viel mehr zu bieten?

Wer bei NINAMARIE (Projekt von BEATSTEAKS-Drummer Thomas Götz und TURBOSTAAT-Gitarrist und Texteschreiber Marten Ebsen) richtig aufgepasst hat, der wird beim eingängigen „Be Smart And Breathe“ einen singenden Thomas Götz enttarnen, oder einen Peter Baumann der enorm an Kante zulegt hat. Letztendlich resultiert der schwoofige Song in eine erfolgreiche Gemeinschaftsleistung, an der auch Teute beteiligt zu sein scheint. Das Stück wirkt zwar irgendwie unfertig und beiläufig, hat aber mächtig Drive. „Make A Wish“ erinnert stark an JULIAN CASABLANCAS oder andere Indie Rock-Größen, vermischt sich aber mit den von den BEATSTEAKS immer gerne genommenen SUBLIME-Querverweisen. Ein typischer, lockerer Sommersong, der aber nur langsam aus dem Quark kommt und wieder durch anspruchslose „Lala-Chöre“ verstärkt werden muss, um sein Ziel zu erreichen. Es wird zumindest deutlich, wie sehr Sänger Arnim über die Jahre seinen Gesang verbessert hat und wie mühelos er mittlerweile jede erdenkliche Stimmung ganz souverän tragen kann. Das Lied lebt deutlich vom mantrischen Takt, von der Möglichkeit abzuschweifen und nicht von Höhepunkten. Gleiches lässt sich über „Everything Went Black“ (wer hier nicht sofort an BLACK FLAG denkt, hat seine Punk Rock-Hausaufgaben nicht gemacht) sagen, wobei hier auch noch Indie-Truppen mit dreckigem Rock’n’Roll Einschlag Pate standen.

Es gibt aber auch absolut BEATSTEAKS-typische Momente wie das pure „Up The Roof“ oder auch dance-punkige „Wicked Witch“ mit Bassist / Jubelperser und engagierter Klatscher Totze im Vordergrund, die so auf den beiden Alben davor hätten stattfinden können. In „Up The Roof“ werden sogar Erinnerungen an QUEENS OF THE STONE AGE wach, ein flirrendes Riff gibt dem Stück die besondere Stimmung und steht den flächigen Riffs als Kontrast gegenüber. Es wächst und wächst, der seltsame Sing-Sang schleicht sich im Alltag ein – Endstufe auch nach mehreren Durchläufen wohl noch nicht erreicht. Das Intro von „Creep Magnet“ wahrscheinlich der Arbeitstitel der Platte, bleibt zwar ein Rätsel, aber der Song dahinter ist klasse. Besonders die Rhythmusfraktion steht felsenfest und Arnim lässt mit melodischem Gesang die weiche Note einfließen, schönes Zusammenspiel und ähnlich wie „Under A Clear Blue Sky“ vom Vorgänger „Boombox“ eine kompositorische Meisterleistung, denn das Stück lebt von der Minimalität. Das gilt grundsätzlich für das neue Album – großartige Knallmomente, zügellose Schnelligkeit, Punk Rock-Ausraster – alles Fehlanzeige. Die elf Stücke kratzen selten an der Drei-Minuten-Marke und wirken eigentlich arm an konkreten Höhepunkten, konzentrieren sich auf das Gesamtergebnis, nicht auf einzelne Spitzen. Genau wie das Credo der Band – keine Helden, nur die Gang zählt!

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass besonders die Gesangsleistung von Arnim im Vordergrund steht, er traut sich häufiger in die hohen Bereiche und dominiert so manche Szene. Der Rest der BEATSTEAKS zeigt sich gewollt abgespeckt und versucht nach dem Minimalprinzip viel herauszuholen. Deshalb explodiert kaum ein Stück auf „s/t“ auf Anhieb, so manches entfaltet sich aber im Nachhinein umso eindringerlicher, wird zur natürlichen und ungeschminkten musikalischen Schönheit („Make A Wish“, „Wicked Witch“). Aber eben nur manches, einiges wirkt leider schlichtweg nicht abgeschlossen und nicht zu Ende gedacht.

„Gentleman Of The Year“ überraschte auch erst mit PAUL KALKBRENNER-ähnlicher Basis (vom Xylophon mal abgesehen), konnte letztendlich aber doch überzeugen. Stücke wie das bläsergeschwängerte und mit ansteckendem Klatsch-Finale versehene „Pass The Message“ verfolgen eine ähnliche Taktik. So richtig radioorientiert klingt „s/t“ eigentlich nicht und, ob die BEATSTEAKS damit wieder die Chartspitze erklimmen, ist auch nicht mit Sicherheit zu sagen. Eine deutliche Weiterentwicklung ist aber zu hören, ob man die mag oder nicht, ist wie immer Geschmackssache. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die BEATSTEAKS 2014 qualitativ nicht weiter von den BEATSTEAKS anno 1995 entfernt sein können, mir aber auch keine deutsche Band einfällt, die so nachvollziehbar über die Jahre gewachsen ist und dabei keinen Funken von ihrem ursprünglichen Antrieb verloren hat.

22.07.2014

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