Beardfish - +4626 – Comfortzone

Review

Mit ihrem mittlerweile achten Album „+4626 – Comfortzone“ prangern die schwedischen Retroprogger BEARDFISH die menschliche Eigenheit an, es sich lieber in der eigenen Komfortzone gemütlich zu machen und sich einen Sündenbock auszusuchen, auf den dann die Schuld für sämtliche gesellschaftliche Verfehlungen geschoben wird. Aktuell gibt es zahlreiche Beispiele für diesen Sachverhalt, die fast alle mit Fremdenfeindlichkeit zu tun haben. Auch wenn diese aktuellen Umstände die Band zum inhaltlichen Konzept ihres Albums inspiriert haben, geht es auf „+4626 – Comfortzone“ nicht um Rassismus.

Für die Produktion war diesmal David Zackrisson verantwortlich, und man merkt den Unterschied zu den Sjöbolm-Produktionen sofort, besonders im Vergleich zu den beiden Vorgängern: Waren „Mammoth“ und „The Void“ noch sehr kantig abgemischt, so perlt die Musik nun elegant aus den Boxen heraus, sie umschwebt den Hörer förmlich, schmeichelt seinen Ohren, nur selten brüllt sie ihm direkt in den Gehörgang hinein.

Musikalisch gibt es wenige Überraschungen. Wer BEARDFISH vorher nichts abgewinnen konnte, dem ist mit „+4626 – Comfortzone“ auch nicht geholfen, wer hingegen etwas für den Sound der Schweden übrig hat, dem wird gewohnte Qualität geboten: Anzusiedeln ist die Musik im Bereich des Retroprog mit Einflüssen von CAMEL, GENESIS und YES und gelegentlichen Ausflügen in Richtung Britpop und Postrock. Daneben gibt es wie üblich jede Menge schrägen Kram zu entdecken, mit dem der Sound ergänzt wird. Jazzige Passagen, rockige Parts, bei denen mal vorsichtig mitgebangt werden darf, gar mal punkige Ausbrüche, dann noch was aus der Indiepop-Ecke – BEARDFISH sorgen mal wieder für reichlich Abwechslung in ihrer Musik. Auch Rikard Sjöbolm brilliert erneut am Mikrofon und singt sich die Seele aus dem Leib. Den besten Eindruck kann man sich bei dem 15-minütigen „If We Must Be Apart (A Love Story Continued)“ verschaffen, das die musikalische Bandbreite der Band wunderbar paraphrasiert.

Am interessantesten dürften aber wohl die Texte sein bzw. das Zusammenspiel zwischen den düsteren, sozialkritischen Lyrics, die nicht selten zynisch und verbittert herüberkommen, und der Musik, die so wirkt, als würde sie den Hörer verspotten. „King“ handelt von Volksverdummung und dem „Zwang“ eines Diktators, sein Volk zu unterdrücken. „Daughter/Whore“ kritisiert patriarchalische Familienverhältnisse anhand von häuslicher Gewalt eines Familienvaters zu seiner Tochter. „Ode To The Rock’n’Roller“ prangert die Redundanz der Musikbranche und die Eindimensionalität der Konsumenten an.

Im Grunde ist „+4626 – Comfortzone“ ein typisches BEARDFISH-Album, das mit seinem leichtfüßig wirkendem Sound und der glasklaren Produktion gut hörbar ist und auch Spaß macht. Ärgerlich ist eigentlich nur, dass es zum Großteil more of the same ist, aber das ist wirklich nur ein kleiner Wermutstropfen, zumal BEARDFISH nach wie vor ziemlich einzigartig sind und ihre Musik schlicht und ergreifend gut ist. Und wer sich Besitzer der limitierten 2-Disc-Version des Albums schimpfen darf, der bekommt neben dem ohnehin schon sehr umfangreichen Album noch eine randgefüllte Bonus-Disc. Diese enthält rare Demoaufnahmen und entfallene Stücke aus den Jahren 2002-2008, die die Band von ihrer schrägeren Seite zeigen.

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29.01.2015

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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