Barishi - Blood From The Lion's Mouth

Review

Mit ihrem zweiten Full-Length-Album „Blood From The Lion’s Mouth“ setzen BARISHI ihre Entwicklung, die sich auf der vorangegangenen EP „Endless Howl“ abgezeichnet hat, konsequent fort. Die US-Amerikaner haben ihren Sound weiter reduziert, präsentieren sich in weiter kondensierter Weise. Die große Preisfrage lautet hier somit: Ist das denn etwas Schlimmes? Oder besser: Was kann das Quartett aus Vermont daraus machen?

Fortschritt durch Rückschritt?

„Blood From The Lion’s Mouth“ ein sperriger Riff-Klumpen geworden. Sascha Simms verzichtet gänzlich auf klaren Gesang und setzt auf heißeres Gekeife. Ebenso rar machen sich diverse Fremdeinflüsse, die noch auf dem Debüt vorhanden waren. Dylan Blakes rhythmische Arbeit ist sehr geradlinig und zumeist eher gemächlich. Selten erlebt man Uptempo-Passagen, die Drums stampfen eher langsam aber bestimmt vor sich hin. Da scheinen die Blastbeats in „Master Crossroads, Baron Cemetery“ das höchste (oder schnellste?) der Gefühle zu sein, scheint der ungestüme Rausschmeißer „The Spectral Order“ die Ausnahme von der Regel zu sein. Ebenso heben sich Momente wie im Titeltrack oder in „Bonesetter“ umso mehr vom Rest des Albums ab, in denen mit Percussion gearbeitet wird, stechen wilde, vertrackte Breaks deutlich hervor.

Im Gegensatz dazu lässt Gitarrist Graham Brooks die Klampfe munter umher wuseln und gewährt ihr jeden benötigten Freiraum, um mit ihren gerne mal leicht dissonanten Melodien und rhythmisch kontrapunktierenden Motiven eine eindringliche Stimmung zu schaffen. Und – Junge! – hat der Kerl den fucking Nagel auf den Kopf getroffen.

BARISHI beißen zu…

Den ersten Eindruck davon kann man sich gleich beim eröffnenden „Grave Of The Creator“ machen, genauer gesagt beim Refrain. Zunächst wundert man sich, warum der Sound der Gitarren so seltsam konturarm und verschnupft klingt, die Melodien leicht chaotisch und unstrukturiert daher kommen. Dann plötzlich rollt der Refrain heran mit seiner einnehmenden, melancholischen und klar definierten Melodie, die ihn geradezu erhaben klingen lässt. Und plötzlich geht das gesamte musikalische Konzept des Songs auf. Dieses subtile Spiel zwischen Sound und Songwriting, zwischen Dissonanzen und Harmonien, dieses Spiel der Kontraste ist eine geniale Sache, die immer mal wieder aufgegriffen wird, zum Glück aber nie zum Selbstzweck verkommt. Es bleibt also spannend.

… Blut tropft aus dem Maul…

Führten die US-Amerikaner uns mit dem Opener noch auf die falsche Fährte, um uns dann quasi aus dem Hinterhalt – dem titelgebenden Löwen nicht ganz unähnlich – kalt zu erwischen, so setzen sie nun gekonnt und etwas weniger subtil mit dem folgenden Titeltrack nach. Und sie zielen direkt auf die Schwachstelle, hauen ihre Zähne dorthin, wo es weh tut. Nahezu jede einzelne Note sitzt. Selbst das untergründige Grummeln des Basses hätte nicht besser platziert sein können. Selbst die akustische Gitarre, die sich gelegentlich ganz sanft unter die Riffs legt, bereichert den Sound. Weiterhin klingen die Sechsaiter etwas verstimmt und ganz leicht verwaschen, aber gerade mit den überlebensgroßen Melodien ergibt dieser Sound Sinn: Diese Produktionsentscheidung lässt die Gitarren sehr großflächig und breitwandig klingen, ohne dass auf billige Bratriffs gesetzt werden müsste. BARISHI haben genau das richtige Maß an Transparenz geopfert, um das Maximum aus dem Minimum heraus zu holen.

Und gelegentlich finden die US-Amerikaner auch Raum, um Platz zu machen für ruhigere, psychedelische Passagen, in denen die Gitarren mit leichter, angenehm warmer Verzerrung sanft den Endorphinausstoß ankurbeln, ehe sie ihre Musik wieder erumpieren lassen. Schön ist in dieser Hinsicht vor allem der Einstieg in „Death Moves In Silence“ oder das an OPETH gemahnende Intermezzo in „The Deep“, welches sich zu Beginn zugegebenermaßen ein klein wenig zieht.

… der Hörer bleibt blutend aber in glückseliger Agonie zurück.

Und mit einer geradezu beängstigenden Konsistenz setzen BARISHI ihren Beutezug fort. Denn trotz ihrer vermeintlichen Schlichtheit sind die Songs von „Blood Of The Lion’s Mouth“ sehr komplex, vielschichtig und anspruchsvoll – hier muss man als Hörer für den Hörgenuss richtig was leisten. Bei alledem hat die Musik einen angenehmen Flow. Nichts wirkt gekünstelt, es ist, als ob sich die Songs ihren eigenen, natürlichen, hypnotischen Lauf durch die Spielzeit des Albums bahnen. Selbst das hässliche Fadeout am Ende von „The Deep“ kratzt den durchweg positiven Eindruck nur geringfügig an. BARISHI haben das seltene Kunststück geschafft, durch Reduktion ihres Sounds eine umso mitreißendere Erfahrung zu kreieren.

„Blood From The Lion’s Mouth“ ist alles andere als eingängig, es kann sogar sehr anstrengend sein. Es poltert nicht mit kitschigen Synthesizern heran, es nervt nicht mit narzisstischem Gefummel, es empfängt seine Hörer nicht mit offenen Armen. Viel mehr ist es die gelungene Fortsetzung der Entwicklung, die BARISHI seit ihrem Debüt durchgemacht haben. Und warum die Covergestaltung durch die Diskografie der Band hinweg so inkonsistent ist und wir von typischen Prog-Surrealismus über rohe Live-Bilder nun bei Post-Sludge-Cover-Klischees angekommen sind, ist da vielleicht gar nicht mehr so relevant.

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14.09.2016

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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