Banco Del Mutuo Soccorso - Orlando: Le Forme dell'Amore

Review

Soundcheck September 2022# 26

„Transiberiana“ markierte für die altgediente italienische Prog-Rock-Band BANCO DEL MUTUO SOCCORSO so etwas wie eine Rückkehr zu alter Form, aber auch eine Art Beweis dafür, dass die Band trotz des tragischen Todes ihres einstigen Sängers Francesco Di Giacomo nicht willens war, ihre reichlich betagte Karriere an den Nagel zu hängen. Dass sie mit besagtem Album von 2019 ein derart solides Werk in Szene gesetzt und sich nicht lächerlich gemacht haben wie manch andere Kapelle, zeugt von Pietät vor dem eigenen Erbe, ihres einstigen Sängers und versteht sich für eine Band, die dieses Jahr ihr 50. Jubiläum seit Erscheinen ihres selbstbetitelten Debüts begeht, als Ehrensache.

BANCO DEL MUTUO SOCCORSE begehen ihr Jubiläum mit einem Konzeptalbum

Nun folgt das neue Album „Orlando: Le Forme Dell’Amore“, das sich stilistisch zunächst einmal recht nah an den Vorgänger anschmiegt. Das bedeutet, dass die Italiener eine recht geschmeidige Mixtur aus klassischem Prog mit Art Rock-, Folk-, AOR- und Pop-Versatzstücken inszeniert, die einem lyrischen Konzept untergeordnet ist. Es handelt sich dabei um eine musikalische Adaption des epischen Gedichtes „Orlando Furioso“ („Der rasende Roland“) des Dichters Ludovico Ariosto, das von BANCO DEL MUTUO SOCCORSO auszugsweise wörtlich, größtenteils aber recht modern umgesetzt wird. Will sagen: Die ersten Zeilen des „Proemio“ beispielsweise entsprechen den eröffnenden zwei Verspaaren des ersten Gesangs, doch passen BANCO die Lyrics vermehrt an die geschäftige Musik an, was auch in einem dynamischeren, allerdings nichtsdestotrotz sehr gesangslastigen Ergebnis mündet.

Wer dem Italienischen nicht oder nur unzureichend mächtig ist, stößt hier natürlich auf eine Sprachbarriere, da Tony D’Alessio ausschließlich in der Landessprache der Italiener singt. Zur besseren Verfolgung der Handlung ist das Booklet zusätzlich mit einer englischsprachigen Übersetzung versehen worden, sodass man sich hieran aber wenigstens am Sujet entlanghangeln kann. Wenn diese allerdings der Presseinfo ähnlich ist, sollte man mitunter aufpassen, da es hier einige Flüchtigkeitsfehler gibt. So wird die Passage „Il campo è nostro!“ in „La Pianora Rossa“ mit „The filed is ours!“ übersetzt, was vermutlich einfach nur ein Buchstabendreher ist und eigentlich „field“ heißen müsste. Aber das kann zu Missverständnissen führen. Glücklich jene, die das kleine oder große Latinum ihr eigen nennen und sich diese Schnitzer trotz zeitgenössischer Sprachbarriere zurecht herleiten können.

„Orlando: Le Forme Dell’Amore“ ist nichts für Gelegenheitshörer

Musikalisch stellt sich das ganze weitaus weniger ambivalent heraus. Die italienischen Prog-Urgesteine servieren ihren Sound so lebhaft und elegant wie eh und je. Die abendfüllende Spielzeit von knapp 76 Minuten in Kombination mit der munteren Eklektik will natürlich auch erst einmal abgesessen werden und ist neben der Sprachbarriere sicher eine weitere Hürde, die Gelegenheitshörer vom Genuss des Albums abschrecken könnte – siehe Soundcheck. Italienisch ist nun mal kein norwegisch oder finnisch und hat entsprechend kaum eine Lobby im Metal. Und es sei jedem verziehen, der sich die Arbeit nicht machen möchte, sich ständig das Lyricsheet zur Hand zu nehmen um zu verstehen, was gerade abgeht. Musikalisch lohnt sich der Aufwand aber in jedem Falle, da die dramatische Ader der Italiener stets durchscheint und das Album jederzeit feinsinnig inszeniert daherkommt.

Besonders all jenen, die fließende Übergänge zwischen Songs schätzen und kein Problem damit haben, dass die Trackliste gerne mal sporadische Sprünge von quirligen Prog-Arrangements hin zu folkigem Italo-Pop und zurück unternimmt, sei das neue Album von BANCO DEL MUTUO SOCCORSO ans Herz gelegt. Eines der besten Beispiele für die eingängigere Seite von BANCO sei mit „Non Mi Spaventa Più L’amore“ genannt, während die proggigere Seite der Italiener beispielhaft im Instrumental „Il Paladino“ demonstriert wird. Wirklich, der einzige echte Makel hieran, der letzten Endes eine uneingeschränkte Hörempfehlung verhindert, ist, dass „Orlando: Le Forme Dell’Amore“ eine nicht unwesentliche, proaktive Hörerinvestition für sich einfordert. Daher sei dieses Album zuvorderst Proggies mit Gaumen für die klassischere Intonation des Genres empfohlen.

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16.09.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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