Avrigus, ein reines Studioprojekt, wurde 1993 von Simon Gruer (Keyboards, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Backing Vocals) und Judy Chiara (Gesang, Piano, Akustikgitarre) im australischen Sydney ins Leben gerufen. Das erste musikalische Kind des Paars erblickte das Licht der Welt im Jahr 1998 in Gestalt der EP „The Final Wish“, wobei zwei der Songs („Desolate“ und „Flesh“) auch auf dem hier besprochenen Longplayer-Debüt „The Secret Kingdom“ (veröffentlicht 2001) enthalten sind. Bei Avrigus werden symphonische Keyboards, sanfte Piano- und Akustikpassagen, Darkwave- und dramaturgische Naturgeräusch-Effekte, fesselnde Mittelaltermelodien und bleischwere (aber nie aufdringliche) Gitarrenriffs zu einem Klangteppich verwoben, dessen Emotionsvielfalt nur noch von der ätherischen Stimme der Sängerin Judy übertroffen wird (die mich des Öfteren an die göttliche Loreena McKennitt erinnert, obwohl Judy diese Klasse (noch) leicht verfehlt, da sie die Töne an einigen wenigen Stellen (noch) nicht ganz sauber trifft). Das Hörerlebnis von „The Secret Kingdom“ gleicht nicht selten einer Traumwanderung durch einen majestätischen Wald aus bald einladend, bald bedrohlich wirkenden Schattenformen, verlockenden Lichtungen, die nur für kurze Zeit den Blick durch das Blätterdach freigeben, und anmutigen Nebelerscheinungen, die mit jedem Schritt ihre Gestalt ändern, ineinander fließen, entschweben. Das Album beginnt mit dem traurigen, geheimnisvoll pulsierenden „Overture“ und den klagenden Worten „I burn, I fly, I drown in a blood red sky…“, ehe mit „Solitude * Salvation“ mit einemmal harte Doom-Gitarren einsetzen, die als idealer Kontrast zur zarten Stimme der Sängerin wirken. Im bedrohlichen und zugleich wunderschönen „Dark Angels‘ Ascension“ werden doomige Riffs regelmäßig von melancholischen Klassikpassagen und Naturgeräuschen (Gewitterstimmung) aufgelockert, wodurch der Song zu keinem Zeitpunkt an Spannung verliert. Bei der Ballade „Veritas“ kann sich Judys Stimme in einer reinen Akustikgitarren-Umgebung vollends entfalten, ehe in Qliphoth nach anfänglichem Schlachtenlärm auch Simon zu einem kurzen Vokaleinsatz kommt (der sonst vor allem als Refrain-Backing-Sänger auftritt). Die Songs „Desolate“ und „Shade of my Heart“ sind Instrumentale, die eine düster-bedrückende Atmosphäre erzeugen und von der heraufbeschworenen Stimmung sehr stark an alte Mortiis-Stücke erinnern. In „Flesh“, „‚Til Death Do Us Unite“ und dem Epos „The Grail“ ziehen Avrigus alle Register ihres Könnens und zelebrieren ein abwechslungsreiches Wechselspiel aus träumerischen Klassikpassagen, erhabenen Keyboardflächen und schleppenden Doom-Riffs, epischen Songstrukturen, imposanten Chören, Harmonie- und fragilem Sologesang; ein beständiges Auf und Ab der Stimmungen und Emotionen. Abwechslung wird groß geschrieben, und „The Secret Kingdom“ ist eine Platte, deren zahlreiche Facetten erst nach mehreren Durchläufen erkennbar werden, obgleich die Songs schon beim ersten Anhören einen klaren Schimmer der Magie in ihrer Tiefe offenbaren und zum Weiterhören anregen können. Erwähnenswert sind auch die poetisch-romantischen Songtexte, die zwar einen Fantasy-Touch aufweisen, aber jenseits üblicher „Knight in shining armour“-Klischees angesiedelt sind und mit ihren Metaphern zum Nachdenken anregen – so man es denn zulässt. Zu guter Letzt ist noch die stimmungsvolle Aufmachung des Booklets hervorzuheben, das künstlerischen Ansprüchen gerecht wird und als perfekter visueller Spiegel der Musik funktioniert. Alles in allem ein exquisites Werk für Liebhaber melancholischer Doom-/Ambient-Musik mit Tiefgang, jenseits von Klischees und Epigonentum. Aufgeschlossene Fans der Verbannten Kinder Evas oder von Dead Can Dance könnten vielleicht auch Gefallen an der Scheibe finden. Wenn ich die seltenen leichten Unsicherheiten der sonst überragenden Sängerin außer Acht ließe, könnte ich ohne Zögern die Höchstnote vergeben!
Wow, daß die noch jemand kennt 😉 Dem Review ist aber auch rein garnichts hinzuzufügen…
Ich habe das Teil auch zuhause stehen und finde es wirklich gelungen. Gutes Review auch ! Wegen der stimmlichen Mängel von mir eine sehr gute "7" mit Tendenz zur "8". Atmosphärisch und besonders ist die CD allemal ! Und als weiteren Tip für alle Interessierten will ich hier noch auf die CD von Virgin Black "Sombre Romantic" verweisen. Greetz – Gott 😉
Gutes Review zu einer meiner Lieblingsplatten in diesem Genre. Traurig, aber wahr: mit Ausnahme der stimmlichen Unsicherheiten der Sängerin ist dieses Album wirklich perfekt. Auch von mir "nur" 9 Punkte für diese Scheibe und hoffentlich 10 für einen Nachfolger, der die Schwächen dieser Platte ausmerzt ;-).