Avatar - Feathers & Flesh

Review

Mit „Feathers & Flesh“ schickt der Metal-Zirkus AVATAR sein mittlerweile sechstes Album ins Rennen. Es handelt sich hierbei um ein Konzeptalbum, dessen zu Grunde liegendes, episches Gedicht über den Krieg zwischen Eule und Adler von der Band selbst stammt. Man wollte sich so von den Vorbildern der klassischen Fabel lösen, um sich möglichst viel kreativen Freiraum mit der Gestaltung der Charaktere zu lassen. Ein enorm ambitioniertes Vorhaben also. Die Frage ist natürlich, ob AVATAR dieses Versprechen einlösen können.

Im Mittelpunkt der Handlung steht der Kampf zwischen der Eule, der Herrscherin der Nacht, und dem Adler, der ihr besagte Herrschaft streitig macht und sich auf sein Geburtsrecht stützt. Ein simpler Aufhänger, welchen AVATAR jedoch gerade aufgrund seiner Universalität vielseitig umzusetzen wissen. Stilistisch folgt die Band auf „Feathers & Flesh“ ihrem eingeschlagenen Pfad, nur ist ihr Mix aus melodischem, hymnischen Death, modernem Metal und Folk-Einflüssen nun einem roten Faden untergeordnet.

Das funktioniert richtig gut, zumal AVATAR den einzelnen Charakteren jeweils eine einschlägige Persönlichkeit zu verpassen wissen, sei es durch den Gesang oder die begleitende Musik. Während zum Beispiel die Eule eher konservativ und stur wirkt, ist der Adler ein ziemlich eingebildeter Affe. Entsprechend ändert sich die Stimmung der Songs ständig, je nachdem, wer gerade das Wort ergreift. Zu einer Rockoper verkommt „Feathers & Flesh“ jedoch nicht, da die Songs in sich geschlossen und grundverschieden sind: Der fulminante, pompöse Auftritt des Adlers („The Eagle Has Landed“) klingt zum Beispiel ganz anders als der wuselige, von Arbeit besessene Bienenschwarm („For The Swarm“) oder der sentimentale Grashüpfer („Fiddler’s Farewell“). Und jeder der Songs treibt die Handlung natürlich ein kleines Stück voran.

Technisch geben sich AVATAR ebenso wenig die Blöße. Die Produktion hat ausreichend Druck und ist transparent, gleichzeitig klingt der Sound aber auch sehr direkt und organisch und zu keiner Zeit überproduziert. Johannes Eckerström thront mit seinem Gesang über dem Geschehen und verleiht dank seiner überragenden Leistung den einzelnen Charakteren ihre individuellen Wesenszüge. Musikalisch zeigen sich die Herren auf „Feathers & Flesh“ abwechslungsreich und verspielt wie eh und je. Und doch klingt der sinistre Zirkus AVATAR stets hindurch.

Bei Konzeptalben besteht gerne mal die Gefahr, dass die zentrale Thematik entweder zum Gimmick verkommt oder dem Album im übertragenen Sinne die Luft abdrückt. Das ist hier nicht der Fall. Die Songs von „Feathers & Flesh“ funktionieren auch als allein stehende Stücke hervorragend und sind sehr unterhaltsam. Vom an ENSIFERUM erinnernden „House Of Eternal Hunt“ bis hin zum melancholischen, eindringlichen „Sky Burial“, welches die Geschichte abschließt, fahren AVATAR eine beeindruckende Palette an unterschiedlichen Einflüssen auf, wobei sich die Band eine angenehme Konsistenz bewahrt und zu jeder Zeit wiedererkennbar klingt. Sicherlich ist das auch Eckerströms Gesang geschuldet, der das Album einfach mit seinem unglaublichen Charisma veredelt. Dass er hier und da etwas schief singt, stört zu keiner Zeit. Eher trägt es zum Charme des Albums bei. Die beiden Bonustracks „I’ve Got Something In My Front Pocket For You“ und „Det Är Alldeles Försent“ kann man als nette Dreingabe betrachten, vom Hocker reißen dürften sie jedoch niemanden.

Aber das Experiment „Feathers & Flesh“ ist eindeutig geglückt. AVATAR bewegen sich auf durchgehend hohem Niveau, wobei die Konzeption des Albums nie seinen Unterhaltungswert ankratzt. Sie wirkt eher wie ein roter Faden, eben wie ein Narrativ, welches die Songs zusammenhält, aber nicht bindet. Und Hits wie „Tooth, Beak & Claw“, „One More Hill“ und „Pray The Sun Away“ haben aufgrund ihrer Energie einfach ein immenses Live-Potential. Keine Frage: AVATAR haben mit „Feathers & Flesh“ alles richtig gemacht.

Das Album kommt auch als limitierte Digipak-Edition, die neben einer Bonus-DVD ein umfangreiches Booklet beinhaltet. Dieses enthält fantasievolle Illustrationen im Ölfarben-Stil sowie das komplette, epische Gedicht, das AVATAR für das Album geschrieben haben.

05.05.2016

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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