Die größte Stärke von AUGUST BURNS RED ist zugleich der hartnäckigste Fluch der Metalcore-Christen aus Lancaster, Pennsylvania: Der Fünfer bildet den Prototyp einer Band, die ihren oft bemühten „Sound gefunden“ hat. Einerseits gibt es aktuell kaum eine Truppe im Metalcore, die den technischen und hochkomplexen Flügel des Genres so gekonnt und auf anhaltend hohem Niveau bespielt, wie AUGUST BURNS RED. Andererseits wissen Luhrs, Brubaker und Co. das selbst ziemlich genau, weshalb jedes Abweichen von der Erfolgsformel aufs Genaueste bedacht wird. Die Gefahr dabei liegt auf der Hand und nennt sich Stagnation. Auf ihrem achten Studioalbum „Phantom Anthem“ wird diese dank mitreißender Songs allerdings noch einmal zur Nebensächlichkeit degradiert.
Die Trademarks sind da – noch ausgefeilter als zuletzt
Natürlich weist auch „Phantom Anthem“ alle Trademarks von AUGUST BURNS RED auf. Den größten Anteil an diesem Sound hat 2017 zweifelsohne das extrem tighte, extrem schnelle und überaus melodische Gitarrengespann Brubaker-Rambler. Auch wenn man es mittlerweile von den Herren gewohnt ist: Was hier abgefeuert wird (und auch live trotz hoher Bewegungsintensität einwandfrei reproduzierbar ist), ist nichts anderes als gitarristische Königsklasse. Dabei beweist das Duo auch abseits der metallischen Highspeed-Leads einmal mehr beeindruckendes Melodie- und Stilgespür. Aber auch das Rhythmus-Team bestehend aus Dustin Davidson und Matt Greiner agiert vor allem in den akustischen, leisen Passagen mit hohem Wiedererkennungswert. Vor diesem Hintergrund ist der Gesang von Luhrs über weite Strecken mehr Beiwerk – was an der unverzichtbaren Live-Präsenz des Shouters natürlich nichts ändert.
Die größten stilistischen Überraschungen sind in Form der Singles „Invisible Enemy“ und „The Frost“ bereits vorab ausgekoppelt worden. Ersterer verwundert zumindest kurzzeitig mit Djent-Einschlägen und Nummer zwei wurden wohl vor allem aufgrund der dezenten Glocken im Chorus in einigen Kommentarspalten bereits der Genre-Neuschöpfung „Christmas Core“ zugeordnet. Auffällig ist hier aber tatsächlich die fast schon fröhliche Melodieführung.
AUGUST BURNS RED klingen noch natürlicher und stärker
Die wirklichen Hits von „Phantom Anthem“ finden sich allerdings in der zweiten Albumhälfte. „Quake“ ist einer der melodischsten Songs der Platte und wäre die wohl plausibelste Entscheidung für eine Single gewesen. „Coordinates“ sticht mit seinen relativ hohen Klargesangs-Anteilen, dem überwiegend getragenen Tempo und einem sphärischen Break zum Ende hin ebenfalls hervor. Hier ist AUGUST BURNS RED eine wunderbar abwechslungsreiche Hymne gelungen. „Generations“ ist härter und noch progressiver. Einzig der etwas cheesy geratene Schlussteil („Won’t let it go“) verbleibt als kleiner Störfaktor.
Insgesamt lässt sich bemerken, dass AUGUST BURNS RED auf „Phantom Anthem“ wieder etwas mehr Abstand von den ganz unkonventionellen Zwischenspielen (siehe „Internal Cannon“) nehmen und die Songs lieber durch perlende Clean-Passagen brechen. Das wirkt natürlicher und stellt die Kompositionen in den Vordergrund, die dieses Mal ausnahmslos gut gelungen und abwechslungsreich ausgestaltet sind. AUGUST BURNS RED klingen auf „Phantom Anthem“ noch frischer als zuletzt und dominieren den technischen Metalcore einmal mehr spielend. Solange der Band Songs und Alben auf diesem Niveau gelingen, ist es ein Segen, den eigenen Sound perfektioniert zu haben.
Gute Review! Nach mehrmaligen Anhören kann ich mich dem nur anschließen. Es ist zwar in gewisser Weise genau das, was man von August Burns Red erwartet, aber keineswegs negativ. Im Vergleich zum Vorgängeralbum fällt mir persönlich auf, dass Phantom Anthem etwas komplexere Songstrukturen aufweist und somit auch schwerer zugänglich ist. Nach ein paar Durchgängen wird man aber schnell warm mit der neuen Platte. Wie vom Rezensenten erwähnt wirken die ruhigeren Zwischenspiele in den Songs wieder natürlicher, auch wenn diese auf Found in Far Away Places nie störend waren.
Was ist noch groß zu sagen? ABR legen mal wieder ein Metalcore Album der Extraklasse hin. Trotz weiterhin großer Melodiösität büßt Phantom Anthem nicht an Härte ein und die typischen Laut/Leise Wechsel bleiben perfekt abgestimmt. Auch Shouter Luhrs liefert wie gewohnt ab, wobei er sich mMn sogar hier und da sogar noch leicht gesteigert hat.
So schaut’s aus. August Burns Red zeigen, dass Metalcore spannend, eigenständig, anspruchsvoll und eben kein Einheitsbrei sein kann. Definitiv eine der besten Bands des Genres.
Ich bin tatsächlich jemand der ob Metalcore eigentlich die nase rümpft (obwohl es mit einstiegsgenre für mich war und bands wie all that remains, hsb, killswitch engage, chimaira, etc. pp definitiv einen eindruck auf mich hinterlassen haben und ich immer noch manchmal gern nostalgisch zurückschaue und -höre) und für den sich 90 % der bands heutzutage gleich (langweilig) anhören, umso verwunderter und positiv überrascht war ich, bei dieser Platte Abwechslung und gut eingearbeitete neue Einflüsse zu finden. Während die zuvor ausgekoppelten Singles solide Songs sind, spielt sich das wahrlich besondere wie in der Review schon beschrieben in der hinteren Albumhälfte mit Songs wie „Quake“, „Generations“ und „Coordinates“ ab, die von jazzig angehauchten bis zu Southern-Rock atmosphäre versprühenden Outros, Intros und Zwischenspielen trotzen, die sich gut einfügen, aber auch der Rest der Songs ist überaus melodisch, abwechslungsreich und technisch sehr anspruchsvoll. Ein Metalcorealbum was selbst einen alten Miesepeter wie mich überzeugt hat !