Attic - "Sanctimonious"

Review

Vorsicht, heiß und ATTIC! „Sanctimonious“ ist die Ansage, die mal gemacht werden musste. Denn was all den genrekundigen und handwerklich versierten Copycats der jungen Generation – seien wir ehrlich – fehlt, ist ein Album mit Ausrufezeichen. „Sanctimonious“ ist ein solches. Es hat die Songs, die Story, die Attitüde, es verbreitet, wie tendenziell schon seine Vorgängerin, den entsprechenden Spirit.
Hört man ATTIC 2017 zu, dann nickt man nicht anerkennend mit dem Kopf und freut sich, wie umsichtig sich die jungen Leute doch durch die Platten ihrer Helden gearbeitet haben oder wie professionell sie schon in der Lage waren, ihre Musik im Studio umzusetzen.

ATTIC schwärzen den Tag

Konfrontiert mit „Sanctimonious“ zieht man vielmehr schlagartig den Kopf ein, wundert sich kaum über die Gänsehaut, ballt die Faust und bleckt die Zähne. Zum richtig bösen Grinsen. ATTIC schwärzen sich nicht einfach den Bauchnabel mit Kajal und reißen die Boxen auf, sondern sie schwärzen gleich den gesamten Tag wie eben KING DIAMOND und MERCYFUL FATE. Und das ist ein meilenweiter Unterschied.
Das Intro „Iudicium Dei“ öffnet mit klagend-erhabenem Falsett-Geraune zu morbider Kirchen-Orgel das Tor zum unheiligen Reigen und jedes der folgenden Stücke schlägt der heuchlerisch grinsenden Sonne – oder wem auch immer – einen weiteren Zahn in Richtung Dunkelheit aus.
Es klingt nach Allgemeinplatz und Phrase, aber letztlich liegt das Geheimnis darin, dass die Gelsenkirchener offenkundig echtes Herzblut in ihre Musik haben fließen lassen, auf Details geachtet, an ihren Stücken tatsächlich gefeilt haben.

„Sanctimonious“ ist klassischer Metal mit Konzept

Entstanden ist so eine Sammlung klassischen Metals, durchaus anspruchsvoll und komplex, aber immer schlüssig strukturiert und den einprägsamen Refrain, das coole Lick, das Mitsing-Solo oder das überraschende Riff sicher im Blick. Die prägenden Duelle der Leadgitarre stünden dabei neben Denner/Sherman ebenso gut Tipton/Downing zu Gesicht. Und Meister Cagliostro braucht sich am Mikro als vielstimmiger Meister des Horrors – vermutlich als einziger überhaupt – hinter KING DIAMOND endgültig nicht mehr zu verstecken. Er beherrscht sowohl das diamantene Glasbruch-Falsett als auch die Halford-Sirene und den tieferen dämonischen Erzähler. Er kreischt, raunt, grollt und klagt, wiegt in Sicherheit, lullt ein und attackiert. Großartig!
Einzelne Stücke hervorzuheben erübrigt sich im Prinzip. Der rasante Titelsong mit seinem leichten Melodic-BM-Touch im Hauptriff nimmt allerdings gleich zu Beginn gar keine Gefangenen. Und ein besonders griffiger Ohrwurm, gleichzeitig der erzählerische Hackebeil-Höhepunkt, ist „The Hound Of Heaven“. Aber geschenkt. Dass ATTIC zusammen maximal 66 + 2/3 Kilo (inklusive Bühnendeko) wiegen, hört man „Sanctimonious“, diesem musikalischen Schwergewicht, zu keiner Sekunde an.

Und Nonnen haben doch Spaß!

Die Story zur Musik schließlich bereitet dem Meister die Bühne für seinen Rundgang durch die Untiefen der menschlichen Seele: Hinter den Mauern des Klosters, wo auch sonst, tut sich standesgemäß der Abgrund auf. Die alte und sehr böse Vorbeterin vergiftet, metzelt, sündigt sich durch die Nacht, auf dass die junge und sehr naive Nachwuchs-Nonne ihr ungeborenes Kind, ihre Freiheit und schließlich ihren Glauben verliert. Beim Teutates: Nonnen haben doch Spaß! Ohne Scheiß: Mehr Schiss hattet ihr bei „Them“ oder „Abigail“ auch nicht.
Kurzum: „Sanctimonious“ ist großes Gruselkino für Jung und Alt!

P.S.: Wer sich ein derartiges klassisches Metal-Konzeptalbum (nur) über Spotify gibt oder ähnlich sündigt, braucht sich mal GAR KEINE Hoffnung auf Zugang zur Hölle zu machen. Der wird dann post mortem von den coolen Kids auch nicht gemobbt, sondern hat es schlicht nicht besser verdient. Daher Obacht: Ván Records haben das Richtige für eure Anlage in der Auslage …

10.08.2017
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