Nachdem der ursprünglich für 4 Alben ausgelegte Deal mit code666 offensichtlich gekündigt wurde, sind die Norweger ATROX wieder bei ihrem alten Label Season Of Mist gelandet. Eine weitere Veränderung schlägt aber viel deutlicher zu Buche: Monika Edvardsen, die den Vorgängeralben ihre Stimme lieh, hat die Band verlassen. Am Mikro hört man nun das markante Organ von Gitarrist Rune Sørgård.
ATROX waren schon vorher auf der progressiven Avant-Garde-Schiene unterwegs, aber vielleicht hat die MANES-Manpower für einen zusätzlichen Kick im ‚Schizo-Metal‘ der Band gesorgt. Die Musik auf „Binocular“ ist so verwirrend wie der erste Eindruck vom Covermotiv und macht die stilistische Zäsur deutlich.
Ihrem experimentellen Anspruch und ihrem ausgeprägten Hang zur Avant-Garde bleiben sie zwar treu, setzen aber nun vermehrt auf elektronische Elemente und Keyboardsounds. Vor allem setzen sie aber auf einen fließenden Übergang von sehr komplexen und wiederum sehr einfachen Strukturen, die es in ihrer Gesamtheit dem Hörer nicht gerade leicht machen. Und damit meine ich keine jungfräulichen Ohren, die noch nicht oder nur selten in den Genuss progressiver Klänge kommen. ATROX schreiben zwar einerseits sehr geradlinig (z.B. im Aufmacher „Retroglazed“) und verstehen es durchaus, packende Melodien in ihre Songs einzubauen. Andererseits wirkt die Band wie ein Eisbrecher auf Zickzackkurs, der immer wieder wilde Schneisen in vormals perfekt vereiste Flächen pflügt. Kaum fügen sich Passagen zusammen, werden sie von der Bandmaschinerie zerfahren. Es ist allerdings kein richtiger Clash, kein echtes Chaos, und vielleicht trifft die Bezeichnung ‚Schizo-Metal‘ tatsächlich zu.
Wohin zum Geier wollen denn ATROX eigentlich? Grooviger Metal mit Synthesizer im Retro-Look, Fusion-Jazz-like avant-garde beats in Chromlackierung? ATROX klingen quietschbunt, lässig, energisch und können auch ziemlich finster werden. „Binocular“ ist eine Platte der Kontraste. Ihre Klasse ist für mich erkennbar, aber wenn ich ganz ehrlich bin: So richtig warm werde ich damit nicht. Ich kann mir das abgefahrenste Zeug anhören, aber es kommmt immer auf die Mischung an, auf die Kompatibilität mit dem eigenen ästhetischen Klangempfinden.
Für den einen mag das vielseitige Album wie der Gang durchs technische Museum sein, für mich ist es größtenteils der Wartesaal im Hauptbahnhof. Aber selbst das Warten auf den richtigen Moment kann durchaus interessant sein.
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