Unter dem Alter-Ego ATRAMENTUS haben sich ein Haufen Franko-Kanadier rund um Phil Tougas zusammen getan, die sonst eher in Death-Metal-Bands ihr Unwesen getrieben haben. CHTHE’ILIST, FUNEBRARUM und GEVURAH sind die Referenzen der alten Bands, die doch schon mal nicht von schlechten Eltern sind. 2013 bereits herum gegründet, lag das Projekt lange brach, ehe nun mit „Stygian“ das Debüt bei 20 Buck Spin erscheint. Funeral Doom ist da eher der exotische Ausreißer auf dem Label.
ATRAMENTUS – etablierte „Newcomer“
Schleichgang, hin und wieder orchestrale Unterstützung, ein abgrundtiefes Growling, alles Dinge, die angesichts des Genres erwartet werden und hier definitiv erfüllt werden. Aber kann „Stygian“, mit drei (eigentlich nur zwei, wird der Ambient-Mittelteil nicht mitgezählt) Songs und einer Laufzeit von einer knappen Dreiviertelstunde wohl eher so als ein halbes Funeral-Doom-Album oder EP geltend, nun etwas oder ist das doch nur Appetithappen für den hoffentlich bald folgenden Hauptgang?
„Stygian“ ist ein Konzeptalbum um einen unsterblichen, einsamen Ritter, der die eisige Erde nach der Apokalypse bewandert und dabei durch seinen „Herbst des Lebens“ geht, gezwungenermaßen für immer. Das wird thematisch auch schon auf dem grandiosen Cover von Mariusz Lewandowski (u.A. ATLANTEAN KODEX, BELL WITCH uvm.) abgebildet.
„Stygian“ ist ein Ritt durch die eisige Apokalypse und Unterwelt des Geistes
Auch musikalisch wird probiert diese erdrückende, eisige und depressive Stimmung zu erzeugen. Lobend muss zuerst einmal die massive Produktion erwähnt werden, die man definitiv auf einer geeigneten Anlage oder unter Kopfhörern und nicht gerade über Handylautsprecher genießen sollte: Sowohl die wahnsinnig bratenden Gitarren, als auch die sehr massiven und mit viel Hall ausgestatteten Drums tönen, als würde sich die Erde gleich unter einem auf tun. Die leicht Klischee-behafteten Orgeln gehören hier vermutlich ebenso unsterblich ins Genre wie die „Breee’s“ im Deathcore. Trotzdem ist das Album alles in allem eine recht atmosphärische und runde Sache.
Das ganze klingt schon sehr nach Funeral-Doom-Größen wie ESOTERIC oder MOURNFUL CONGREGATION, aber gerade die orchestralen Parts lassen auch häufig THE RUINS OF BEVERAST in den Sinn kommen, die eine sehr ähnliche Stimmung auf Alben wie „Foulest Semen of a sheltered Elite“ oder „Blood Vaults“ erzeugen konnten. Selbst Cleans, leises Flüstern, grimmiges Knurren und markerschütternde Schreie haben sich eingeschlichen, hin und wieder spielen einsame, aber hoffnungsvolle Leads auf, womit ATRAMENTUS zeigen, mehr als nur einen Trick auf Lager zu haben. Die Kürze und Würze des Albums macht gleichzeitig auch die Stärke aus.
ATRAMENTUS legen gut vor, haben aber ihren Zenit noch nicht erreicht
Der kurzweiligen und angenehmen Flussfahrt durch die geistige Unterwelt auf „Stygian“ folgt nämlich der Wunsch nach mehr statt Ermüdung. „Stygian“ ist für Funeral Doom mit Ambient-Passagen nämlich wunderbar „geschäftig“. Klar liegt auch hier der Fokus auf dem möglichst langen Herauszögern jeglicher Riffs, aber im Hintergrund passiert dabei eigentlich ständig was, seien es die schon angesprochenen sakralen Orgeln, mal ein Taktwechsel oder eben schon angesprochene Stimmpassagen.
Und dank dieses extreme Kontrastes aus recht garstigen Gitarren, schleppender Langsamkeit, sakraler Epik und trotz allem schwerfälligem Prunk dann doch noch einer gewissen Kurzweiligkeit, haben ATRAMENTUS der Konkurrenz schon einiges voraus. Was nun allerdings noch fehlt, sind ein wenig zwingendere Atmosphäre und schlicht mehr Material, da ATRAMENTUS hier genau genommen nur zwei „richtige“ Songs auf diesem Album platziert haben. Denn der Spannungsbogen kann nicht die ganze Zeit über in diesen Songs aufrecht erhalten werden. Von solchen Kleinigkeiten abgesehen, die höhere Weihen verhindern, ein tolles Debütalbum, dem noch der letzte Ticken zu einer großartigen Scheibe fehlt. Ich setze da ganz auf die Zukunft, noch mehr von diesem einsamen Ritter zu hören. Viel mehr bleibt dem in seiner Situation und mir als Hörer auch nicht möglich.
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