1993 verabschiedeten sich die Florida-Frickelbrüder ATHEIST mit ihrem bis dato dritten Album „Elements“ und lange Zeit schien es, dass diese Ausnahme-Band ein für alle Mal Geschichte ist. Dann aber läuteten 2006 die Glocken und das trübe Augenlicht erhellte sich schlagartig, als die Nachricht eintrudelte, dass sich ATHEIST erneut zusammengetan haben, um ein paar Gigs zu zocken. Es hat danach nicht sehr lange gedauert, bis die Kunde eines anstehenden neuen Albums die Runde machte und die (extreme) progressive Metal-Welt Kopf stand. Es sollte dann aber doch noch einige Zeit und ein eingeschobenes Live-Album („Unquestionable Presence: Live At Wacken“, 2009) dauern, bis „Jupiter“ endlich fertig war, bzw. ist und auf die gierige Hörerschaft losgelassen wird.
Was aber ist „Jupiter“ nach sehr langen 17 (!) Jahren seit dem letzten Studioalbum geworden? Kurze Frage, kurze Antwort: „Jupiter“ ist entgegen etlicher Befürchtungen der obergeile, einwandfreie Hammerschlag vor dem Herrn geworden!
Ich kann es selbst kaum glauben, aber die Jungs um Sänger und Komponist Kelly Shaefer, Drum-Gott Steve Flynn und den beiden „Neuen“ Jonathan Thompson und Chris Baker von GNOSTIC haben hier allererste Sahne abgeliefert und -man vergebe mir diese Blasphemie- „Jupiter“ ist so dermaßen geil geworden, dass ATHEIST für ihre ersten drei Alben selbst eine ganz ganz große Konkurrenz darstellen.
Technisch völlig erhaben brettern ATHEIST eine Riff-Salve nach der anderen über den Kanal und frickeln, thrashen und knallen einen Gott-Song nach dem anderen raus. Man kann sich von „Jupiter“ ein beliebiges Stück raussuchen, es drückt ständig ohne Ende und der alte Spirit ist nicht nur wieder da, sondern wird durch wichtige Komponenten, wie den Genuss moderner Technik und die in all den Jahren gesammelte Erfahrung der Musiker abermals gesteigert.
Auffällig ist, dass ATHEIST stellenweise richtig Gas geben und in Sachen Geschwindigkeit in Richtung „Piece Of Time“ tendieren, was den neuen Stücken sehr gut zu Gesicht steht. Das Ganze wird vermischt mit der überragenden Spieltechnik von „Unquestionable Presence“ und angereichert mit den mitunter exotischen Experimenten von „Elements“, was unterm Strich einen mehr als nur hörenswerten Cocktail aus eben fantastischer Musik ergibt.
Das Gitarrenspiel ist äußerst filigran, die Bassspuren außerordentlich einfallsreich und das Schlagzeugspiel selbstverständlich wie erwartet über jeden Zweifel erhaben. Natürlich darf niemand erwarten, dass Kelly Shaefer, der die Gitarre aufgrund eines Karpaltunnelsyndroms übrigens nur noch zum Komponieren und für einzelne Passagen im Studio umhängt, noch genauso klingt wie vor 17 Jahren. Er kreischt immer noch wie eine besengte Sau, klingt dabei aber reifer und einfach älter, was hier keineswegs negativ gemeint ist, sondern aus meiner Sicht durchaus ein Schritt nach vorne ist. Sicherlich wird sich der eine oder andere erstmal an den Gesang gewöhnen müssen, ich für meinen Teil habe sehr schnell Zugang gefunden und mag Shaefers heutige Stimme genauso wie seine „alte“. Eine sehr geile Idee ist, dass der komplette Gesang ein kurzes Echo enthält, was einerseits etwas Old-School-Flair versprüht, andererseits eine leicht ‚kranke‘ Note mit ins Spiel bringt.
Die moderne, klare und deutliche aber nicht zu sterile Produktion weist den einzig richtigen Weg für die Art Musik, wie sie ATHEIST praktizieren. Somit wurde auf „Jupiter“ alles richtig gemacht und jeder interessierte Hörer wird aufgrund der enormen Komplexität auch nach mehrmaligem Hören noch Feinheiten entdecken, die ihm vorher nicht aufgefallen sind. Kurzum: Ich spreche hier von einem lückenlos gelungenen Album!
Hab es beim Erscheinen paar mal gehört und als nett abgetan. Vor kurzem mal wieder rausgekramt und HOLY FUCK: brilliant. Die Höchstwertung ist teilweise gerechtfertigt, aber doch stimmungsabhängig. Wenn es gerade nicht so passt eine 8, jetzt, wo ich gerade darüber nachdenke mir selbst ein Atheist Tattoo auf die Stirn zu stechen, klar eine zehn.
Wegen besagter Stimmungslage liefere ich entsprechend die Punktzahl noch nach.