At The Gates - At War With Reality

Review

„At War With Reality“ wird für einige wohl das Album des Jahres werden, das AT THE GATES besser nie veröffentlicht hätten.

Das ist natürlich zu erwarten, bedenkt man, woran „At War With Reality“ unvermeidlich gemessen werden wird. Das Verdienst von „Slaughter Of The Soul“ lässt nun mal gleichermaßen Hoffnungen (Befürchtungen) keimen, selbiges würde (nicht) übertroffen ohne kopiert zu werden, zumal AT THE GATES erneut in Originalbesetzung musizieren. Als Teil des 2007 nach Ankündigung der Live-Reunion kollektiv brodelnden, schlechten Gefühls, AT THE GATES könnten irgendwann mit einem neuen Album ihren Legenden-Status so wie viele andere zuvor in einem Akt halbherziger Mittelmäßigkeit an die Wand fahren, muss man sich also warm anziehen…

Denn blöderweise ist „Slaughter Of The Soul“ nicht nur logisches Referenzwerk, sondern als Vergleichsobjekt auch völlig ungeeignet. Denn was Anderes sollte „At War With Reality“ dann leisten, als dem Nimbus, nicht nur ein sondern zwei Genres maßgeblich mitgestaltet (Melodic Death Metal) beziehungsweise überhaupt erst möglich gemacht (Metalcore) zu haben, noch einen drauf zu setzen? 20 Jahre Death Metal sind im Handstreich nicht ad acta zu legen.

Drei Kreuze, dass AT THE GATES genau das nicht versuchen.

„At War With Reality“ ist nicht der erhofft-befürchtete Zwilling. Es ist ein Amalgam allen, was AT THE GATES in ihrer kurzen ersten Existenz fabriziert haben. Natürlich gibt es da diese Momente, in denen etwa Titeltrack, „Death And The Labyrinth“, „The Conspiracy Of The Blind“ oder „The Head Of The Hydra“ schreien: mehr 1995 geht nicht! Insgesamt jedoch ist „At War With Reality“ musikalisch deutlicher an „Terminal Spirit Disease“ und atmosphärisch dichter an der abgrundtiefen Düsternis der beiden Frühwerke dran. Als Verzicht auf eine Nummer-sicher-Variante erfüllt es weder feuchte Träume verbrämter Nostalgie, noch instrumentalisiert oder schädigt es seinen Vorgänger sondern legt schonungslos offen, warum es geschrieben wurde.

Aus Spaß an der Freude. Damit können AT THE GATES ein Album auf die Beine stellen, das sich nicht nur keinem Vergleich anbiedert, sondern kompositorisch verschwindend geringe Schwächen bietet. Durch Sound von Fredrik Nordström (wem sonst?) veredelt, ist jedes Riff ein (Voll-)Treffer, jede Melodie ein Fest und unverkennbar AT THE GATES. Vieles knallt sofort („Heroes And Tombs“, „The Book Of Sand (The Abomination)“, „The Circular Ruins“ – was für ein Ausklang!), weniges („The Night Eternal“) lässt erst leicht verzögert zum Schluß kommen: „At War With Reality“ ist schlicht und ergreifend Göteborg at its best.

Eine ähnliche Relevanz wie sein Vorgänger wird „At War With Reality“ wohl nicht erreichen, auch wenn AT THE GATES gekonnt nicht in die größtmögliche Falle treten. Dafür schüren sie exorbitant Lust und Vorfreude auf mindestens 20 weitere Jahre svensk melodisk dödsmetall. Auch ohne erneute historische Strahlkraft.

18.10.2014
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