Astronoid - Radiant Bloom

Review

Das verflixte dritte Album. Und dann auch noch der Einstand beim großen Label. Fürwahr: „Radiant Bloom“ ist ein kritisches Album für ASTRONOID, möglicherweise eine „Make it or break it“-Situation. Das Quartett um Goldkehlchen Brett Boland spielt im wesentlichen einen Mix aus modernen Metal-Versatzstücken, Shoegaze-artiger Luftigkeit und einem gewissen Indie-Flair, wobei eine unbeschwerte Poppigkeit über allem liegt. Dabei packte das Debüt „Air“ noch richtig beherzt zu, sei es mit technischen Riffs, fast Power-Metal-artigen Backbeats (ich hüte mich vor dem Wort Thrash, mit dem die Band an anderer Stelle gerne beschrieben worden ist) und einer jugendlichen Energie, die mit dem generellen Wohlklang des Dargebotenen eine wunderbare Symbiose einging.

ASTRONOID haben den Kopf in den Wolken stecken

Man kann den Gesang von Boland nervig finden, sein hohes, elfenartiges Organ ist zugegeben nichts für die Meute, die es gern ein bisschen deftiger bevorzugt. Ein beliebter Vergleich sind CYNIC-Cleans (ohne Vocoder) oder eine weniger säuselige Variante von Neige. Wer sie kennt, darf noch KLIMT 1918 als Referenz heranziehen. Man findet auch zahllose Vergleiche im Indie-Pop der Mitt-2000er, etwa MGMT, FOSTER THE PEOPLE oder EMPIRE OF THE SUN. Das gepaart mit der technischen wie songschreiberischen Vielfältigkeit und dem etwas roherem, garagenartigen Charme hatte schon etwas spezielles an sich – etwas, von dem das hier vorliegende, neue Album „Radiant Bloom“ nur träumen kann.

ASTRONOID wirken hierauf nur noch wie ein Schatten ihrer selbst, zwar noch klar zu erkennen, aber sie haben einfach das Aufregende an ihrem Sound eingebüßt, die jugendliche Abenteuerlust gegen verkaufsstrategische Sicherheit eingetauscht. Dem Sound fehlt es an so vielen Stellen an Spritzigkeit und Elan, dass man sich schon sehr bemühen muss, um das Album bewusst am Stück zu erleben, ohne mittendrin abzuschalten. Es ist zwar selten etwas gegen einen Frühjahrsputz einzuwenden, aber „Radiant Bloom“ klingt weit über das Ziel hinaus poliert und damit überhaupt nicht mehr so sehr nach dem sprudelnden Optimismus wie „Air“ das tat. Die immer mal gerne entfesselt aufspielenden Riffs machen sich rar, es fehlt die Impulsivität, es klingt wie generischer Indie-Rock, der gefangen ist in einem einzigen Post-Rock-Klischee.

Leider haben sie dabei ihre Spritzigkeit links liegen gelassen

Es gibt immer wieder mal ein kleines Aufbäumen gegen den Midtempo-Durchschnitt, mit dem sich ASTRONOID hier über weite Strecken zufrieden geben. „Sedative“ klingt alles andere als sediert und prischt zwischenzeitlich – endlich! – mit Uptempo aus dem egalen Trott heraus. Und hey! Die Aufregung überträgt sich sogar auf die Gitarre, die mal aus ihrem Shoegaze-Schönheitsschlaf erwacht. Das mit dem Uptempo klappt auch später bei „Orchid“ noch mal. In beiden Fällen muss aber gesagt werden, dass die etwas zu saubere Produktion hier wieder viel Potential verspielt. „Human“ erzeugt Spannung auf andere Weise, nämlich durch den Einsatz dramatischer Moll-Akkorde, welche die Köpfe der Band immer mal wieder effektiv aus den Wolken zerren.

Aber das war es dann mit den Highlights. ASTRONOID haben sich von ihren forschen Anfängen größtenteils in eine Band ohne Ecken und Kanten verwandelt. Man kann „Radiant Bloom“ sicher ein Stück weit als Stimmungsmusik entschuldigen, aber dass die Band durchaus offensiver agieren kann, hat sie in der Vergangenheit, ansatzweise auch hier, auch schon bewiesen. Und für Begeisterungsschwünge werden die Post-Rock-typischen Leads aus der Konserve sicherlich auch nicht allzu lange sorgen. Kurz: Es fehlt einfach die Spritzigkeit, mit der sich die US-Amerikaner überhaupt erst auf die Bildfläche katapultieren konnten. „Radiant Bloom“ klingt zu oft einfach viel zu befriedet, um wirklich ernst genommen werden zu können. Oder aber es kommt mindestens 15 Jahre zu spät …

31.05.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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