Ascension - Promotion Cut

Review

„Liebe Studierenden! Heute will ich Ihnen ein Exemplar der in den 80-er Jahren aus der Punk-Bewegung eingeschleppten und mittlerweile vor allem in Deutschland weiträumig domestizierten sogenannten „Gothics“ vorstellen. Wie sich schon am dichten Fell der kraftvollen Industrial-nahen Produktion erkennen lässt, haben wir es hier mit einer erst in jüngerer Zeit zu differenzierenden Unterart der Gothic Rock-Gattung zu tun, die sich laut jenem beigefügten Begleitschreiben dort um den Zeh als „NewGoth“ titulieren lässt. Dem kann ich mich uneingeschränkt, wenn auch nicht kritiklos anschließen. Erfreulich zu beobachten ist an diesem Exemplar aus der niedersächsichen Tiefebene, wie Sie sehen, zunächst der Rückgang der Überzüchtung durch jene bombastbegeisterten, oft finnischen Puristen, die dem Gothic Rock-Urtier oft durch tontechnisches Kraftfutter noch immer die Triebfeder zur kompositorischen Steigerung vorenthalten. Dies hier wirkt erstaunlich vital, kann allerdings den begrüßenswerten Wegfall von synthetischen ProVitaminen qualitativ nicht gänzlich kompensieren. Allem voran macht die rauhe Stimme, die wir in ähnlicher Form bereits in der Vergangenheit bei den INCHTABOKATABLES beobachten konnten, die vorliegende Gattung offensichtlich länger überlebensfähig in ihrem bevorzugten Lebensraum, dem CD-Player. Die durchschnittliche Geschwindigkeit dieses Objekts ist klassisch mittelmäßig, wobei die treibenden Gliedmaßen (ebenfalls gattungsgemäß) wenig an experimentellem Schnickschnack wagen. Das ist einerseits dem düster-gemessenen Auftreten dienlich, das andererseits hier nur unzureichend um wünschenswert kraftvoll-melancholische Melodie ergänzt werden kann. Statt dessen versucht das Objekt durch unspektakuläre und nicht ganz unbekannte Hooklines seine Beute zu locken. Das eigentliche Charisma der Stimme klingt damit nahezu unterfordert. Ferner fehlen diesem Jungtier noch die Krallen, um die Beute gegen konkurrierende und hierarchisch höher gestellte Leittiere artverwandter Rudel wie z.B. MOONSPELL oder MARILYN MANSON zu verteidigen. Dennoch: Die Ausprägung als Spezialist für als abgegrast geltende Weiden, auf denen sich, entgegen aller gängigen Erwartungen mittels grundkonventioneller Instrumente noch immer natürliches, frisches, bislang unberührtes Grün entdecken lässt, ist diesem Wesen angenehme Eigenart. Da dieses Promo-Exemplar der noch weitgehend unerforschten „NewGoth“-Familie recht jung auf meinen Seziertisch gelangte, möchte ich hier die Vermutung äußern, dass die Evolution an ihm noch einige Überraschungen bereit hält. Die zahlreichen bislang noch unvollendeten, gelegentlich erstaunlichen Ansätze sind deutlich erkennbar. Wir werden uns in den kommenden Monaten hoffentlich erneut mit diesem Fall beschäftigen können. Bis dahin kann ich Ihnen eine eigene Begutachtung dieser sympathischen Kreatur nur ans Herz legen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.“

02.04.2003

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