Ascension Of The Watchers - Numinosum

Review

Auch wenn es ASCENSION OF THE WATCHERS schon seit einiger Zeit gibt, wußte ich dennoch nicht, was mich erwartet. Ich hatte vorher noch kein Material gehört, konnte mir aber in etwa denken, worauf es hinausläuft.
Wenn Burton C. Bell gemeinsam mit John Bechdel (MINISTRY, PRONG) auf eine Art musikalischer Selbstfindungsreise gehen würde, dann würde das sicherlich bedeuten, dass er dabei auch ein breiteres Gesangsspektrum anvisiert, als man es bisher von ihm kannte. Nicht um sich etwas zu beweisen, sondern einfach der Expressivität wegen. Man kann vieles, was einem auf der Seele lastet, in die Welt hinausbrüllen, aber manche Dinge verlangen gediegenere, zarte Töne – zerbrechlich, wie man es hin und wieder selbst ist.

„Numinosum“ ist nach mehreren Jahren des Komponierens und nach „Iconoclast“ das ‚echte‘ Debütalbum von AOTW. Und man hört den Entstehungsprozess heraus. Man hört die Zurückgezogenheit, die entspannte Ruhe und Gelassenheit fernab von der Hektik und der Gefräßigkeit der Großstädte.
Auf „Numinosum“ hören wir im gröbsten Sinne alternative und experimentelle Klänge. Teilweise seichte Alternative-Rock-Songs, Acoustic & Ethereal Music mit elektronischen Beats und Samples – Musik die in aller Abgeschiedenheit heranwuchs, um sich in der gleichen Abgeschiedenheit zu entfalten.

Allerdings habe ich so meine Probleme mit Burton’s „unprecedented vocal sound and style“. Ich weiß nicht, wer sich diesen Satz ausgedacht hat, aber wer Burton’s Gesang kennt, weiß, dass er zwar ein begnadeter Shouter ist (Fear Factory), aber er noch nicht mal deshalb mit einer Goldstimme ausgezeichnet ist.
Bei ASCENSION OF THE WATCHERS gibt es verhallten Gesang nach Schema FF, der so manche Unreinheiten der Stimme ausmerzt, aber Burton ist – so sieht nun mal die nackte Realität aus – einfach kein geeigneter Sänger für diese Art von Musik.
Bei ihm ist es ungefähr wie mit HP Baxxter (nein, der Vergleich ist nicht wirklich ernst gemeint): In dem was er eigentlich hauptberuflich macht, ist er verdammt gut (zumindest im Studio) – aber wenn es um wirkliche Sangeskunst geht, stösst er schnell an die Grenzen seiner Stimme. Das hört man, und das schmälert die Songs in ihrer Wirkung. So persönlich die Songs auch sein mögen, aber der Funke hat es oft schwer, überzuspringen. Die Musik auf „Numinosum“ ist sehr vielseitig, offen und wunderbar arrangiert, wird aber durch den stellenweise auftretenden Singsang doch spürbar beeinträchtigt. Musikalisch also wirklich gut, aber rein gesangstechnisch eben Burton, wie man ihn kennt. Und wenn man weiß, wie Burton live singt, lernt man auch die Schönheitsoperationen in einem Studio zu schätzen.

„Numinosum“ enthält einige Songs, die zwar schon auf „Iconoclast“ das Licht der Welt erblickten, aber nun sozusagen in vollendeter Form vorliegen. Zudem findet sich mit „Sounds Of Silence“ ein sehr beliebter Coversong von SIMON & GARFUNKEL.
Die persönliche Reise, auf der wir von Bechdel und Bell begleitet werden, findet im letzten Song „Quintessence“ einen schönen Abschluß, eingeleitet durch den urtypischen Klang einer startenden Dampflok, die dann kurz vor Ende noch einmal zu hören ist. Sie zieht vorüber, eine Grammophonnadel kratzt auf dem schwarzen Gold und irgendwann erklingt ein alter Countrysong, der uns, wenn auch nur für einen kurzen Moment, ins Amerika der 30er Jahre zurückbringt.
Eine Reise, die man sicherlich so schnell nicht vergessen wird.

19.02.2008
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