Wer hat als Kind nicht schon einmal davon geträumt, wie Jules Vernes Romanfigur Kapitän Nemo, der nicht nur mit der Menschheit sondern auch mit dem Erdboden gebrochen hat und sich und seine Mannschaft ausschließlich aus den Schätzen des Meeres versorgt, mit der Nautilus völlig autark und unerkannt die sieben Weltmeere zu durchqueren? Mich persönlich hat jedoch seit jeher eher das Motto der Nautilus, mobilis in mobili, mit Begeisterung beschäftigt und beeindruckt, was frei übersetzt „Änderung durch Wandel“ bedeutet, während Nemo und sein Boot eine unsichtbare Ordnung errichtet, in der die Sichtbarkeit und ihre Interpretation in Raum und Zeit zusammenfallen. Doch was haben die Darmstädter mit Jules Verne gemeinsam und welche Affinität findet sich zwischen dem erwähnten Motto und „Dead Eyes Still See“?
Ähnlich wie es Jules Verne mit seinem Roman ergangen ist, so haben sich ASARU mit dem vorliegenden Album selbst ein kleines Denkmal gesetzt, das nicht als visionär zu bezeichnen ist, aber ein gutes Stück seiner Zeit voraus war: „Dead Eyes Still See“ wurde bereits 2006 aufgenommen, und ich erinnere mich noch sehr genau daran wie beeindruckt ich war, als mir ASARUs ehemaliger Gitarrist Thilo (VIRON) die ursprünglich neun Tracks des Albums im März 2007 zum ersten Mal vorspielte. Unbegreiflich, dass dieses Werk quasi drei lange Jahre in irgendeiner Schublade lag und nur darauf hoffte, irgendwann entfesselt zu werden. Dieser Moment ist nun gekommen, und das zu einem Zeitpunkt, an dem Sänger und Gitarrist Frank „Akaias“ Nordmann längst nach Norwegen ausgewandert ist und das Abschiedskonzert einer der ersten und dienstältesten Black-Metal-Bands Deutschlands bereits vor gut zwei Jahren stattfand.
ASARU klingen auf ihrem ersten Longplayer viel aggressiver als bisher, aber auch ein wenig progressiver und präsentieren sich durchweg professionell, was bei einem mehr als zehnjährigen Bandbestehen allerdings auch zu erwarten ist: Alte DISSECTION hört man hier und da ebenso heraus wie alte SATYRICON und trotzdem lässt das Material viel Spielraum für eigene, moderne Ideen und hervorragende Kompositionen, die sich entweder frostig kalt („Darkness“, das zwischendurch ebenso akustisch warme Passagen offenbart), hymnisch modern („Dead By Dreams“) oder episch opulent („Summon The Northern Wind“, „The Final Constellation“) immer von ihrer überzeugendsten Seite präsentieren. Auch traditioneller Heavy Metal findet an einigen Stellen Verwendung und verwebt sich mit wunderbaren Gitarrenlinien, superben Gesangsleistungen und einer abwechslungsreichen Atmosphäre zu einem schwarzmetallischen Hörerlebnis, das in dieser Intensität nur selten zu hören ist. Unterstützung erhalten die Songs durch eine glasklare und vor allem auch druckvolle Produktion, die keine Wünsche unbefriedigt lässt. Einen kleinen Wermutstropfen hat die Geschichte allerdings doch noch: Die Neueinspielung ihres 1997er Demotitels „Dödande Tanken“ hat es leider nicht auf „Dead Eyes Still See“ geschafft, obwohl ich den Titel, ganz im Gegensatz zu Sänger Frank, für außerordentlich gut gelungen halte.
Mobilis in mobili: ASARU schwimmen mit „Dead Eyes Still See“ vielen ähnlichen Veröffentlichungen davon und bereichern das Genre, ohne sich davon bewusst zu entfernen. Der Wandel liegt in der Struktur jedes einzelnen Songs, die Düsternis nicht als Negation betrachtet, sondern ebenso als den Ursprung des Lebens. Eindrucksvoll.
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