Prog-Jazz-Experimental-Hirnfick-Metal aus Süddeutschland – den kennt der eine oder andere Leser sicherlich von PANZERBALLETT, SCHIZOFRANTIK oder ZWEITON. Mit ART AGAINST AGONY aus dem Stuttgarter Raum gibt es nun weiteren Nachwuchs in diesem Bereich – wobei der Vierer (aber das ist bei so abgedrehter Musik fast selbstverständlich) nur in ungefährer Nähe der genannten Bands / Projekte unterwegs ist, sprich: eine ganz eigene stilistische Nische gefunden hat.
Mit „Three Short Stories“ veröffentlichen ART AGAINST AGONY (ich bin versucht, einfach A³ zu schreiben) ihr in Eigenregie aufgenommenes und produziertes Debut, auf dem sie dem geneigten Hörer insgesamt 15 instrumentale Stücke in gut 66 Minuten servieren. Dabei bestehen die drei Kurzgeschichten, „On Stasis And Motion“, „The Woman In The Red Dress“ (eine „Matrix“-Referenz?) und „Smiles Of Alien Entities“. aus jeweils fünf Songs. Musikalisch decken die vier Masken tragenden Musiker („we wear masks to facilitate you not to focus on us but on the things we do“) zwischen Art Rock, Jazz, Blues, Djent, Prog Rock, Progressive Metal und diversen weiteren Versatzstücken ein Sammelsurium spannender Stilarten ab – und machen stimmliche Beiträge wirklich überflüssig, denn die Songs selbst erzählen schon beinahe mehr als man beim Anhören fassen kann.
Seien es MESHUGGAHeske, an „Stengah“ erinnernde Klänge gleich zu Beginn („1.1 Etry Level“), Jazz-Einlagen wie im nachfolgenden „1.2. Pelagius Eleven“ oder „2.2. Lily And E.“, das auch auf „Blackwater Park“ stehen könnte; sei es der „F-Zero“-Soundtrack „2.4 Copec!“, das loungige „2.5. Silence“, das fast poppige „2.1 Liberty“, das in Richtung PANZERBALLETT driftende „3.2 Fitch (Fucking Bitch)“ oder das Schwanzrock-Solo in „3.4. Nyarlathoep“ – ART AGAINST AGONY scheinen vor Ideen überzusprudeln, von musikalischem Freigeist mehr als erfüllt zu sein.
Das Besondere daran: „Three Short Stories“ macht von vorn bis hinten extrem Spaß. Die Songs erzählen wirklich Geschichten, sind dynamisch und spannend arrangiert – es geht hier nicht um musikalisches oder instrumentales Dickstrahlpissen! Es geht hier um die Umsetzung einer Vision – einer Vision, die diesem ersten Eindruck zu Folge noch viele viele überraschende und höchst spannende Geschichten (wie eben diese drei vorliegenden) zu erzählen hat. Ich jedenfalls bin von „Three Short Stories“ äußerst angetan und schon jetzt neugierig darauf, wie es im Hause ART AGAINST AGONY weitergeht. Allen, die ein Faible für abgefahrenen, visionären und dabei technisch exzellenten Hirnfick-Metal haben, sollte es ähnlich gehen.
Eine Erleuchtung.
Ich bin von Haus aus Jazzer, aber gleichzeitig Fan von Heavy Metal und dessen ‚progressiven‘ Spielarten.
Leider ist mir aus persönlicher Erfahrung gut bekannt, dass sich beide ‚Lager‘ nicht immer wohlwollend beäugen, was natürlich einerseits von Stereotypen á la ‚der schwitzige Metalhead in der Lederjacke und den langen Haaren‘ – oder ‚dieser snobby Anzugträger mit Seidenkrawatte, der kein Lied ohne Vierklänge kennt‘ herrührt…
…andererseits scheint es mir auch so, als hielten sich Jazz und (heutiger) Metal weitgehend in abgeschlossenen Subkulturen voneinander getrennt. Es findet sich quasi kein Metalschuppen, der an gutem Jazz, und keine Jazzbar, welche an gutem Metal Interesse hätte.
Ich habe seit Jahren darauf gewartet, dass jemand hier einmal den Sachverhalt neu beleuchtet und Metal/Jazz (sowie diverse weitere Stilrichtungen) in einer Weise präsentiert, wie eine Musik klingen KÖNNTE, die wahrlich aus dem 21. Jahrhundert kommt.
Art Against Agony haben mittlerweile schon ein weiteres grandioses Album veröffentlicht, ich persönlich muss aber eingestehen, dass gerade auf ihrem Debütalbum ‚Three Short Stories‘ Zeichen gesetzt wurden, die mich total umgehauen haben.
Während man bekannten ‚progressive metal‘ Bands (Hier natürlich aus Dream Theater, aber auch das Jungvolk, Periphery zB) aus dem Jazz-Lager gerne (vielleicht auch hochnäsig?) unterstellt, sie würden nur Einflüsse des Jazz geltend machen oder so etwas wie Fusion-Rock betreiben, habe ich bei Art Against Agony das erste Mal das Gefühl gehabt, dass die maskierten Herrschaften sowohl Jazz und Metal für sich Ernst nehmen, indem sie sich auf eine Kategorisierung nach Genre gar nicht erst einlassen.
Technisches Gefiddel und/oder gefühlsbetonte Harmonien sind nicht beschränkt auf Genres, man findet sie in jeder Spielart der Musik. Es kommt meiner Meinung aber darauf an, wie glaubwürdig man sich der Sache annimmt.
Daher halte ich ‚Three Short Stories‘ für einen Meilenstein einer (zumindest in Deutschland?) unbekannten Formation von virtuosen Musikern, die 2014 vielleicht gar nicht realisiert haben, was für ein geniales Werk sie da komponiert haben.
Art Against Agony ist eine Band, von welcher ich mir ohne Probleme vorstellen könnte, dass sie freitags als Vorgruppe für ein Meshuggah-Konzert spielen, und tags darauf zusammen mit Pat Metheny oder John Scofield musikalisch und intelligent über Gott und die Welt philosophieren.
Bleibt für mich nur zu hoffen, dass dies irgendwann der Fall sein wird.