Árstíðir - Nivalis

Review

Gemessen an seiner geringen Bevölkerungszahl von nicht einmal 350.000 Einwohnern, besitzt Island eine überraschend produktive Musikszene. International renommierte Acts wie SIGUR RÓS oder SÓLSTAFIR sind der klare Beweis dafür. Letztere waren es schließlich auch, die ihre Landsleute ÁRSTÍÐIR einer breiteren Öffentlichkeit innerhalb der Metal-Szene bekannt machten, als sie dem Trio 2017 die Möglichkeit gaben, im Vorprogramm ihrer Tour aufzutreten. ÁRSTÍÐIRs Einstand war geglückt, denn der ansprechende Mix aus atmosphärischem Indie-Rock und folkigen Klängen konnte live vollends überzeugen. Mit ihrem vierten Album „Nivalis“ möchten die drei jungen Isländer an diesen positiven Eindruck anknüpfen. Ob ÁRSTÍÐIR das gelungen ist, erfahrt ihr hier.

„Nivalis“ erzählt seine eigene Geschichte

„Nivalis“ lebt von Beginn an von seiner einzigartigen Atmosphäre. Bereits der Opener „While This Way“ zeigt, wie viel Herzblut in dem Album steckt. Jeder einzelne Ton scheint in mühevoller Feinstarbeit darauf abgestimmt zu sein, einen tieftraurigen, aber dennoch versöhnlichen Einstieg in das Album zu bereiten. Das Ergebnis ist ein authentisch-melancholischer Sound, der von herausragenden Vocals und dem wunderschönen Zusammenspiel von Akustikgitarren und Streichern getragen wird. Auch in den folgenden Songs setzen ÁRSTÍÐIR klare Akzente und beweisen, dass „Nivalis“ äußerst vielschichtig ist. Mit einer unglaublichen Lebhaftigkeit vermischen sie auf „Lover“ moderne Indie-Pop-Elemente mit traditionellen Folk-Einflüssen. Die Singleauskopplung „Entangled“ erweist sich als das Highlight der Platte, immerhin vereint der Song alles, wofür ÁRSTÍÐIR stehen: hinreißende Melodien, ehrliche Poesie und ein natürlicher Hauch Romantik.

ÁRSTÍÐIR beweisen Song für Song stets aufs Neue grandioses Fingerspitzengefühl, denn „Nivalis“ sprüht nur so vor Kreativität. Balladeske Nummern wie „Mute“ oder „In the Wake of You“ sind von einer rührenden Sentimentalität umgeben und machen paradoxerweise dennoch unglaublich Spaß. ÁRSTÍÐIR wissen nur zu gut, wie man einen Song so strukturiert, dass er auch nach mehrmaligem Hören immer noch spannend bleibt. „Passion“, der Schlusspunkt auf „Nivalis“, hätte keinen passenderen Namen tragen können, denn die Nummer ist die mit Abstand leidenschaftlichste Darbietung auf der Platte.

ÁRSTÍÐIR – Es muss nicht immer krachen

Mit „Nivalis“ ist ÁRSTÍÐIR zweifelsohne ein Meisterstück gelungen. Die Isländer bedienen sich eines breiten Spektrums aus Indie-Pop, Folk, Progressive Rock und Singer-Songwriter-Anleihen. Das Ergebnis ist eine facettenreiche, hochemotionale Genre-Gradwanderung, die restlos überzeugt. Lediglich hier und da verläuft der ein oder andere Song zu unspektakulär. Nichtsdestotrotz haben ÁRSTÍÐIR ein beeindruckendes Werk vorgelegt, welches seine Wirkung wohl besonders in den ruhigen Momenten des Lebens vollends entfalten kann. Wer also einmal Balsam für Seele braucht, ist mit „Nivalis“ mehr als gut beraten. Manchmal können die sanften Töne wohl doch unerwartet laut sein.

20.06.2018
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