Árstíðir Lífsins - Jötunheima Dolgferð

Review

Stefán, Mastermind der norddeutschen Black/Pagan Metal-Band KERBENOK, gründete sein neues Projekt ÁRSTÍÐIR LÍFSINS (dt. “die Jahreszeiten des Lebens”) vor zwei Jahren, um sich der mittelalterlichen Literatur Islands zu widmen und ihr ein entsprechendes musikalisches Gewand zu verleihen. Resultat dessen ist das Debüt “Jötunheima Dolgferð”, das unter Verwendung wissenschaftlichen Schriften direkt in Reykjavík/Island entstand und auf dem unter anderem auch Jorge von DRAUTRAN und Marsél von HELRUNAR, sowie diverse isländische Musiker mitwirken.

Das Album beginnt mit dem leider kurzen Intro “Ísa Brots Blómin Milli Hnignunar Marnars Barna”, einer traurigen, bedrückenden Geigenmelodie, die in das erste Stück “Morgunn Í Grárri Vindhjálmars þoku Við Berufjörð” mündet. Eine erhabene, tiefe Stimme erzählt in isländischer Sprache von der Entdeckung der Insel, stimmungsvoll untermalt von Chören, Synthies und Geigen, bis der erste schwarzmetallische Sturm, dominiert von inbrünstigen, depressiv angehauchten Screams und finsterem, schnellen Riffing, urplötzlich durch die Gehörgänge des in Sicherheit gewogenen Zuhörers wütet. Doch ebenso schnell legt sich das Unwetter wieder, um nach einer kurzen Ruhephase erneut auszubrechen, ohne dass die Wechsel zu abrupt oder sprunghaft wären. Langsam aber sicher schlägt das Pendel immer weniger zu einem der Extreme aus, bis der Song gen Ende als ausgewogenen Folk Metal-Stück mit schwarzmetallischen Anleihen ausklingt.

Auch das folgende “Velkomin Í Lífið, Ávarpar Maðr Sjálfan Sig” beginnt ruhig und wartet in den folgenden fast 13 Minuten mit den verschiedenen Facetten ÁRSTÍÐIR LÍFSINS‘ auf, bietet sogar Raum für einen atmosphärischen, mit Samples unterlegten Piano-Mittelteil, akustische Gitarren und lieblichen Frauengesang, kommt jedoch als ebenso dramatisches und spannendes, aber sehr stimmiges Opus daher, das sich eher vorsichtig und ebenmäßig durch die Gehörgänge schmeichelt.
Aus dieser fast romantischen Fantasie reißt “Haka Kleifir BerJa Ok Brjóta Við Enda Langrar Ferðar Sinnar”, bei dem ÁRSTÍÐIR LÍFSINS den Black Metal-Knüppel endlich einmal richtig aus dem Sack lassen, den Hörer brutal heraus und bombadiert ihn in den folgenden Minuten mit hagelnden Drums, aggressivem Riffing und verzweifelten Screams, nicht jedoch, ohne geschickt mit Tempo und Rhythmus zu spielen und das ein oder andere Mal vom Gas zu gehen, um die Spannung weiter zu steigern.

Ähnlich wie bei “Velkomin Í Lífið, Ávarpar Maðr Sjálfan Sig” wandern ÁRSTÍÐIR LÍFSINS auch bei “Lifðu Með Öðrum, Með þínum Eigin” durchdacht und exakt auf dem schmalen Grat zwischen Folk und Black Metal, bevor sich mit “Eigi Hefr Á Augu, Unnskíðs Komit Síðan” sogar ein altisländisches Volkslied auf “Jötunheima Dolgferð” einfindet. Hinterlegt mit der Geräuschkulisse eines Wirtshauses, besticht das Stück mit angenehmer Monotonie und Authenzität und fügt sich so ideal ins Gesamtbild des Albums ein. Das streckenweise recht doomige, schwerfällige, zugleich anmutige und passagenweise nahezu majestätische “Margt Breytist Fyrir Orð Völvanna” und das Black Metal-lastige, atmosphärische “Við Fundum Nýtt Heimili, Langt Burtu Í Vestrinu” schließen sich an, bis das finale, schlichtweg überlegene “Þat Er Stormr Ok Bláköld Vatnssmíðin Litar Regna Borg” noch einmal eindrucksvoll sämtliche Facetten des Albums zusammenfasst und diesem ganz besonderen Hörerlebnis den perfekten Abschluss verleiht.

Viel mehr bleibt mir zum Debüt von ÁRSTÍÐIR LÍFSINS nicht zu sagen. “Jötumheima Dolgferð” entführt den Hörer auf eine eindrucksvolle, wahnsinnig atmosphärische, spannende, abwechslungsreiche und zu keinem Zeitpunkt langweilige Reise durch die mittelalterliche Literatur Islands und wirkt zu keinem Moment übertrieben, kitschig, klischeehaft oder nur einen Hauch unauthentisch. Den Kauf kann ich bedingungslos empfehlen, würde ihn Genre-Fans sogar als absoluten Pflichtkauf nahelegen.

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02.09.2010

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