„Morsus“ schließt die Trilogie aus „Erzketzer“ und „Primitiv“ bei Aggro Cottbus, Verzeihung, ARROGANZ, ab. Immer noch gibt es gefährlichen, dunklen Death/Black mit ordentlich Eiern in der Hose aufs Brot geschmiert, der sich einen Dreck um Szene, Trends oder sonst was oder wen schert und stumpf und primitiv seinen Stiefel durchspielt.
Auch das vierte Album bleibt der vorgehenden EP gleich bei Supreme Chaos Records unter Dach und Fach. Da haben sich der Osten und Westen zwischen Cottbus und Osnabrück scheinbar gefunden, vorerst zumindest.
„Morsus“ hat dem Namen nach Biss
Was zu allererst auffällt: Die knackige Produktion. ARROGANZ waren noch nie Kostverächter hinsichtlich jener und haben sich im heimeligen BM-Hobby-Keller eher weniger wohl gefühlt, aber von den bratenden Gitarren über ein Bassfundament aus Beton hin zu dem fantastischen Schlagzeug (diese Snare!) fährt „Morsus“ die bis dato wohl transparenteste und ballerndste, aber gleichzeitig auch atmosphärischste Produktion auf, welche die Band je hatte. „Anodynon“ leitet als textlich morbide-romantisches Intro atmosphärisch ein ehe „Morsus“ mit knarzendem Bass langsam veröffnet, ehe es dann etwas flotter nach vorne geht und zupackt. Der Song bleibt pendelnd zwischen Midtempo und leicht angezogenen Passagen, entlassen wird der Hörer mit verfremdetem Jahrmarktgrusel.
ARROGANZ bleiben wie von den Vorgängern gewohnt übermäßig im Midtempo und lassen sich durchaus Zeit, trotz überwiegend sehr kurzer Songlängen der dreizehn Tracks in der folgenden Dreiviertelstunde. Hochgeschwindigkeitsmassaker überlasst man klar lieber anderen Bands. „Pain & Light“ ist etwa so ein daherstampfendes, den Boden erzittern lassendes Ungetüm, das im langsamen Tempo wesentlich brutaler daher kommt als der nächste Blastangriff, welcher teilweise mit „Sleepless Forever“ trotzdem gleich darauf folgt und mit ungewohnten Pianoklängen endet.
Überhaupt ist an der ARROGANZ’schen Formel, die auch schon von „kaos.kult.kreation“ über „Tod & Teufel“ hin zu „Primitiv“ so gut funktioniert hat, auch hier neuerdings nicht viel auszusetzen. Die Atmosphäre ist grimmig und einnehmend, es wird Black Metal und Death Metal mit zwischendurch auftretenden Doom-Momenten vermischt, um von allen Gemeinheiten etwas dabei zu haben. So nachzuhören im Titelsong, famos auch auf „In$ide $uicide“ und „Aurora Arroganz“. Überraschen tut man eher mit kleinen Stellschrauben, songdienlich eingesetzt. „Praise Death = Feast Life“ hat neben seinen „fairly standard“ Black-Metal-Vibes und beinahe schon in CELTIC FROST-Abgründe schielenden Riffgarstigkeiten dann noch schön beschwingt aufspielende Leads mit an Bord.
Der schön knurrige Bass und die Off-Beats in „Next Level Satan“ machen auch verdammt Spaß. „Sickpeopledie.“ kommt nicht nur satirisch in Coronazeiten daher, sondern als Unter-Zwei-Minuten-Wüterich wie ein angepisster Wadenbeisser während des nachdenklich-melodischen Zwischenteils dann auch noch mit Überraschungen um die Ecke. „I Dealt With The Devil“ gibt sich zum Schluss ungewohnt zurückgenommen und ruhig ehe es ins gewohnte Metier rüber geht. Während die Songs allein genommen weder wahnsinnig komplex noch wahnsinnig aufregend sind, vermag das Album in Summe durchaus stimmungsvolle Ornamente der Düsternis zu weben. Die Kurzweiligkeit überrascht trotz schwer im Magen liegender Riffs und dem eher reduzierten Tempo. „Morsus“ erschließt sich jedoch auch nicht zwingend nach einer Umdrehung und bietet so Langzeitpotential für längeres Verweilen auf dem Plattenteller.
ARROGANZ dürfen sich jene ruhig herausnehmen
Textlich scheint es dieses mal eher persönlich zu werden: Der Kampf gegen das (eigene) Leben, drogeninduzierte schlaflose Nächte, die Narben vergangener Auseinandersetzungen, der Todeskuss, welcher – ganz dualistisch – am Schluss gegensätzlich zum Anfang aufgelöst wird, auch ganz im Musikalischen und somit findet sich das „Durchbeissen“ neben Musik und Texten ebenfalls im Albumtitel wieder. ARROGANZ sind nicht sonderlich komplex und spielen ihre Mixtur locker runter, schaffen es aber trotzdem innerhalb immer wieder aufkeimender Momente wie melodischeren Leads, bedrohlichen Synthies oder Samples in den Songs eine gewisse Magie aufkommen zu lassen, die vielen anderen Bands in dem Bereich trotz technisch beeindruckender Fähigkeiten heute vollkommen abgeht.
Diese Fuck-Off-Attitüde, das Scheißen auf Genregrenzen, Trends und Ähnliches macht die Band einerseits so sympathisch, andererseits auch ein wenig formlos in ihrer Mixtur und manchmal wenig zwingend und eindringlich. So würde man sich statt das Runterspielen seines Stiefels in Form doch vielleicht einen längeren, ausbrechenden und stilistisch noch breiter angelegten Song oder gerne auch mal einfach einen flotten, schnellen, aggressiven Black-Metal-Schlag in die Fresse zwischen all dem Midtempo wohl wünschen. Will sagen: Vielleicht trauen sich ARROGANZ dann auf dem nächsten Langspieler doch mal ein wenig aus ihrem Korsett auszubrechen, das langsam ein wenig eng wird. Bissig, mit Attitüde und unabhängig wie ein verwilderter Hund gibt sich die Band auf „Morsus“ aber nach wie vor.
Klingt ziemlich fett, die nachfolgende Aussage vermittelt aber bereits, was ich nach hören des Video Songs befürchtet hatte, dass man sich das Album schon in etwa ausmalen kann und es keine Ausbrecher gibt, „So würde man sich statt das Runterspielen seines Stiefels in Form doch vielleicht einen längeren, ausbrechenden und stilistisch noch breiter angelegten Song… wünschen“.
Genau das würde ich mir hier auch wünschen, denn „kurz und kompakt“ schöpft das Potential hier nicht aus.
Gutklassige, solide Kost einer soliden Band.