Arkona - Yav

Review

ARKONA haben in der Vergangenheit vieles richtig gemacht. „Yav“ tanzt da aus der Reihe wie manch ein Metaller, wenn er die Russen live sieht. Leider mit beträchtlicher Schlagseite hin zu Langeweile und Ok-Status. Damit habe ich nicht gerechnet. Zu wenig Metal, das ist der gravierende Negativpunkt, den ich gern voranstelle. Ebenso: „Yav“ präsentiert bei Weitem keine schlechte Musik, ist aber eine Enttäuschung. Vor allem nach drei Jahren Studioalbumabstinenz und gemessen an der Diskografie. Untätig waren ARKONA in der Zwischenzeit nicht und daran kann man auch ablesen, welchen Status die Band heute völlig zu Recht hat: Veröffentlichung von DVD und Live-Album, Auftritte bei der Paganfest-Tour mit Platzierung im oberen Billingbereich, oft direkt hinter dem Headliner, sowie eine eigene Headlinertour durch Amerika.

Das neue Material ist düsterer, auf der anderen Seite dringen aber auch ständig verträumte Melodien durch – so kann „Serbia“ einen durch die träumerische Anmut schnell in Seligkeit schummeln und verschleiern, dass die Nummer hinsichtlich der Vocals gut, instrumental aber ein wenig fad ist. Die authentischen, ursprünglichen Instrumente finden nach wie vor Verwendung, natürlich, nur untermalen sie kaum noch heitere Passagen und fügen sich im diesigen Gesamtkontext schlicht als Elemente ein, die der Musik von ARKONA weiterhin den Pagan- und Folk-Charakter verleihen. Der Orchestereinsatz hat sich verabschiedet. In der Summe kann man die Ausrichtung von „Yav“ getrost reduzierter bezeichnen, aufgrund anderer Komponenten ist der eingeschlagene Weg aber auch ein neuer. In der Vergangenheit hat meist die Mischung fasziniert, weil ARKONA den Hörer sowohl über sattgrüne Wiesen im warmen Sonnenschein als auch über neblige Hügel eines graukühlen Gebirges geführt haben. Es ist grundsätzlich kein Problem, dass die Partynummer diesmal fehlt, und ich bin der Letzte, der sich über eine strikt dunkle Ausrichtung beschwert, nur liegen die Erwartungen halt woanders. Für mich scheitert der Versuch beim Vorher-Nachher-Vergleich einfach.

Ein eindrucksvolles Plus und damit sogar ein voller Pluspunkt ist Masha Arkhipova, deren Beiname „Scream“ längst nicht mehr repräsentativ ist. Die Gute ist so oder so eine brillante Frontfrau, in Sachen Stimmvariation geht sie auf „Yav“ aber noch mehr Wege; abseits von gutturalem und cleanem Gesang. So facettenreich hat man sie noch nie gehört. Mal sind es verbittert-böse Töne, die Wut und Trauer auf gespenstische Weise in windige Schreie verpacken, so diabolisch-heiser, dass es an Onielar von DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT erinnert. Ein andermal gibt Masha die faulige Hexe, die sich in schwarze Rage krächzt. Doch auch die sanften Töne ohne Stimmbandverzerrung sitzen ebenso wie die bekannten Death-Metal-Growls im überraschend tiefen Bereich. Gänzlich neu und überaus gelungen sind die eher gesprochenen Black-Metal-Vocals im letzten Song.

Die neuen Lieder wirken atmosphärisch dichter, dadurch aber auch zäher und im Vergleich mit älteren Songs eintöniger. Sicher wiegt ein solcher Begriff angesichts der feingliederigen Kompositionen schwer, doch in Relation zu vergangenen Werken findet er durchaus seine Berechtigung. Worauf es mir auch ankommt: Hier soll nicht aufgezeigt werden, was an „Yav“ nicht gelungen ist, weil es sich, wenn man den Namen ARKONA mal ausklammert, um ordentliche Songs handelt. Vielmehr gedeiht die Enttäuschung, sobald frühere Veröffentlichungen herangezogen werden. Dem Direktvergleich kann „Yav“ nicht standhalten. Hört man sich das rabiate Riff zu Beginn und die weitere Gitarrenarbeit von „Tropoiu Nevedannoi“ vom Album „Goi, Rode, Goi“ an, stellt man schnell fest, dass den neuen Riffs, die zuweilen eher rockig daherkommen („Na Strazhe Novyh Let“), gehörig der Biss fehlt. Bleiben wir bei diesem Song: Allein die tiefschwarze Melodiefolge zum Start des letzten Drittels ist besser als alles, was ich auf dem neuen Album zu hören bekomme ein Idealbeispiel für eine Passage, die sich im Gedächtnis festkrallt und so eine Verbindung zwischen Hörer und Album herstellt. Ich verspüre hingegen keinen Drang, mir bestimmte „Yav“-Abschnitte oder gar komplette -Songs nochmal anzuhören. Denselben Effekt hat das Death-Metal-Riffing in „Voin Pravdi“ auf „Lepta“, und der Refrain in „Viydu Ia Na Volushku“ vom 2004er-Album ist ein Hookline-Paradebeispiel, von dem das neue Album nur träumen kann. ARKONA haben auch diesmal eine überlange Nummer in petto, gegen „Na Moey Zemle“ mit all den Gastmusikern und dem beispiellosen Wechsel von Härte und Harmonie ist der Titelsong von „Yav“ jedoch unspektakulär und lahm. Dass der Spaßfaktor diesmal fehlt, wurde bereits geklärt, nur fehlt dann aber auch eine Nummer wie „Stenka Na Stenku“, die bislang ebenso wie Epik und Atmosphäre für ARKONA stand. Kein Song von „Yav“ erzielt die Emotionalität von „Zimushka“ vom Vorgänger „Slovo“ und die allgemeine Hitdichte vom Debüt und von „Goi, Rode, Goi“ bleibt selbstredend ebenso unerreicht. Das könnte noch munter fortgeführt werden, und obwohl es mir schwerfällt, zu dieser Wertung zu kommen, mündet das alles im folgenden Fazit: Auch wenn sie wohl immer in der Lage sein werden, ansprechende Musik zu schreiben, waren ARKONA auf all ihren früheren Werken besser.

27.04.2014
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