Arkona - Kob'

Review

Bereits über 30 Jahre existieren die 2002 gegründeten ARKONA bzw. Аркона im russischen Original. Nach fünf langen Jahren der Stille präsentiert die Band um die charismatische Frontfrau Masha mit „Kob‘“ den Nachfolger von „Khram“ (2018).

Ab in die Finsternis mit „Kob‘“

Bei ARKONA wird bereits seit „Yav“ nicht mehr saufend gedudelt, die Russen wurden im Lauf ihrer Entwicklung immer düsterer und entfernten sich weg vom La-la Folk Metal. Und auch „Kob‘“, auf Deutsch übersetzt Zauber, verbreitet alles andere als Spaß und Lebensfreude. Das neunte Album folgt dem eingeschlagenen Pfad der Entwicklung hin zu mehr Ernsthaftigkeit, Tiefe, Atmosphäre, Vielfalt, Progression, Beklemmung und Dunkelheit. Dieser Weg wird auf dem neuen Album noch deutlicher und konsequenter als bisher, da das Werk auch noch düsterer und kälter ausgefallen ist.

Ein dunkles Konzept…

ARKONA spiegeln auf ihren neuen Stücken die Probleme der modernen Gesellschaft im aktuellen Weltgeschehen wider sowie die Stufen in den Abgrund, wobei jeder Song die Verkörperung einer Stufe in die Dunkelheit, der schwarzen Realität der suizidalen Menschheit bis zur vollständigen Vernichtung darstellt. So beinhaltet beispielsweise das Stück „Mor“ Epidemien und Krankheiten, die uns seit Anbeginn der Zeit heimsuchen, sowie die aus ihrer Sicht größte Plage unserer Zeit, die Menschheit. „Razryvaya plot‘ ot bezyskhodnosti bytiya“ bezieht sich inhaltlich auf Kriege, Religionen und Umweltprobleme, die weiter in den Abgrund führen, während das abschließende „Izrechenie. Iskhod“ (Die Rede. Die Schlussfolgerung) die aus der Sicht von ARKONA unausweichliche Apokalypse darstellt.

…in düsteren Zeiten

Für ARKONA ist die Situation gerade sicherlich nicht einfach. Die Russen sind eine der international bekanntesten Metal-Bands ihres Heimatlandes und veröffentlichen ihr neues Album mitten im von Russland geführten Angriffskrieg gegen die Ukraine. Nichts scheint seither, wie es war. Tod, Leid, Verderben scheinen kein Ende nehmen zu wollen. Ein dunkler Schatten, der auch über dieser Veröffentlichung liegt.

Logische Fortführung

Musikalisch liefern ARKONA mit „Kob‘“ den logischen Nachfolger von „Khram“. Eingerahmt in die beiden beginnenden und abschließenden „Izrechenie“-Teile führt der Weg hinab in die Unterwelten. Im ersten Teil „Izrechenie. Nachalo“ (Die Rede. Der Beginn) fühlt man sich wie Teil eines düsteren Rituals. Tranceartige Rhythmen und unheimliches Geflüster und Krächzen in Verbindung mit verstörenden Samples sorgen gleich mal für Schauer und ordentlich Gänsehaut. Sehr beklemmend. Es geht hinab…

Der Titelsong beginnt zunächst mit atmosphärischen, melodischen wie gespenstischen Synthies, steigert sich mit bedrohlichen Gitarren bis hin zu einer rituellen Totenklage im Midtempo. Hier stechen insbesondere der rhythmische Gesang als auch die eingängigen, geradezu hypnotischen Gitarrenhooks hervor, rau und meditativ zugleich. Das Stück entwickelt sich im weiteren Verlauf hin zum Ambient mit elektronischen Loops und Trip-Hop-Drums. Flöte, ritueller Groove, Klargesang und heisere Schreie. „Kob‘“ trägt schon sehr viel in sich, was ARKONA heutzutage ausmacht. Das epische, fast 12minütige und schmerzhafte „Ydi“ ist der längste Song des Albums und enorm vielschichtig. Das Stück beginnt zunächst mit hymnischem Black Metal, dann wird es noch schwärzer und schneller, hysterischer Schreigesang, neoklassisches aufwühlendes Gitarrensolo, rituelle Gesänge, hypnotisch repetitive Parts, dann typische ARKONA Folk-Hooks, Chöre, Epik. „Ugasaya“ glänzt zunächst mit groovendem Bass, Synthies und Klargesang, etwas moderner Ambient überrascht. Den Bogen zurück zum angestammten Sound mit Pagan-Wurzeln mit deutlichem Black Metal-Bezug schlagen ARKONA dann mit rasenden Blastbeats und spirituellen Melodien. „Mor“ changiert von einem ruhigen Anfang mit Akustikgitarren und Fülstern über melodisch getragen mit traditionellen Saiteninstrumenten, beunruhigende Bläser, dazu einige vertrackte Rhythmen die ganz schön proggig wirken und der Gesang voller Hoffnungslosigkeit. Die vielschichtige, epische Hymne steigert sich immer mehr und eskaliert zwischen rohem Black und spirituellem Pagan Metal. Erinnert in seiner Ehrgeizigkeit an „Tseluya Zhizn'“ vom Vorgänger „Khram“.

Es bleibt vielseitig: Das atmosphärische, melancholische „Na Zakate Bagrovogo Solntsa“ trägt einen Hauch von Post in sich und entwickelt sich in der zweiten Hälfte zu einer Tribal-Unplugged-Folk-Hymne, während „Razryvaya Plot‘ Ot Bezyskhodnosti Bytiya“ zunächst mit ausschweifendem klassischem Piano beginnt, dann fast schon opernhaft Gothic/Symphonic bis hin zu Blastbeat Black Metal-Ausbrüchen, ehe wieder erhaben epische Momente übernehmen.

Ein vielschichtiges Album voller Widersprüche?

„Kob‘“ ist sehr abwechslungsreich, vielschichtig, ja wechselhaft und dennoch atmosphärisch ausgefallen. Dass das kein Widerspruch in sich ist und dass die Musik fesselt, ja in den Bann zieht, zeigt die Gabe von ARKONA. Dabei geht die Band in ihrer Entwicklung einen Schritt weiter über alles hinaus, was sie bisher gemacht hat. Emotional fordernd und damit auch manchmal anstrengend.

Mit „Kob‘“ haben ARKONA ein gelungenes Klangwerk erschaffen, auf das man sich einlassen, ja eintauchen muss, damit es vollends seine Wirkung entfaltet. Es lohnt sich!

07.06.2023

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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