Eine der Dinge, die man dem ARDARITH-Debüt definitiv nicht vorwerfen kann, ist, dass es nicht ambitioniert ist. Unter der Leitung und Kuration des Augsburgers Max Pfaffinger, der sich im Gegensatz zu einem Tobias Sammet oder einem Arjen Lucassen musikalisch kaum direkt an „Home“, dem hier zu besprechenden Album, beteiligt, sondern mehr eben vielleicht als „Regisseur“ und „Drehbuchautor“ des Ganzen wirkt, ergibt sich unter Darbietungen von fünf Sängern und Sängerinnen, darunter Alexander Göhs von DANTE, sowie diverser Session-Musiker eine Art Rockoper, allerdings mit eher psychologischem Handlungsverlauf. Es geht hier um eine innere Reflexion bezüglich des Themas Heimat.
Eine metaphysische Rockoper?
Rockoper-typisch wird in verteilten, festen Rollen gesungen. Die Akteure sind das Ich, dargestellt von Rob Lundgren, und vier seiner red- respektive singseeliger Emotionen: Hoffnung (Alina Lesnik), Verzweiflung (Daniël de Jongh), Schuld (Liv Jagrell) und Erinnerung (Göhs). Zudem ist Menna Youssef in einer Gastrolle zu hören. Den instrumentalen Kern bilden unterdessen Gitarrist Marco Schuler, Bassist Daniel Unzner, Keyboarder Ben Eifert (u. a. AENEAS), Schlagzeuger Maxx Herteck (u. a. MEGAHERZ), Violinistin Lisa Hellmich (HAGGARD) und Flötist Rowan Hamwood. Weitere Musiker, die gelegentlich hineinrotieren, sind u. a. Julian Kellner und Markus Maichel (beide DANTE) sowie Mohannad Nasser an der Oud.
Musikalisch kann man ein recht herkömmlich inszeniertes Prog-Metal-Album erwarten, das die Grenzen in keine Richtung so richtig auslotet, sondern recht solide in der Mitte steht. Technisch bewegt man sich meist in der zweckdienlichen Professionalität. Nichts klingt wirklich stümperhaft, aber es gibt auch kaum einen instrumentalen Schlenker, der wirklich aufhorchen lässt. Es gibt mal eine ausgedehnte Instrumentalpassage hier und da, wo die Musiker einmal zeigen können, was in ihnen steckt. Direkt im Mittelpunkt der Spielzeit wäre hinsichtlich dessen beispielsweise „Lay Down To Sleep“ zu nennen. Doch diese Momente erscheinen eher losgelöst von der Handlung. Hier ist die Chance verpasst worden, den Akteuren ein festes Motiv zuzuteilen und dieses dann in den Instrumentalpassagen musikalisch erschöpfend zu erforschen.
ARDARITH haben die technische Finesse, aber noch nicht ganz die richtigen Ideen
Aber die Sänger sind immerhin distinktiv genug, sodass man selten den Faden darüber verliert, wer gerade die Stimme erhebt. Lundgren und Göhs liefern dabei die männlichen Gesangsanteile, Alina Lesnik mit ihrer klassisch gebildeten Stimme unterscheidet sich eindeutig von Jagrells Rock-Röhre und de Jongh liefert sämtliche gutturale Vocals. Doch auch hier sitzt „Home“ wieder zwischen den Stühlen. Nichts klingt wirklich herausragend, weder in positiven noch negativen Sinne. Gerade dann, wenn wie hier mit personifizierten Emotionen gearbeitet wird, wäre es durchaus interessant gewesen, zu erforschen, wie die Emotionen sich nicht einfach nur abwechseln oder bestenfalls mal doppeln, sondern ineinander greifen, aneinander abprallen oder sich gegenseitig verstärken.
Dadurch fällt „Home“ in seiner Gesamtheit in die Kategorie „nett“. Es lässt sich angenehm hören und Interessierte können daher auch vollkommen risikofrei das ein oder andere Ohr riskieren. Aber ein definitiver Aha-Moment kristallisiert sich nicht so richtig heraus. Es ist nicht per se langweilig, denn Pfaffinger hat durchaus ein paar Prog-Kniffe in petto, sodass sich die Songs davor hüten, allzu gleichförmig zu geraten. Gleichzeitig bleiben echte Klimaxen aber aus. Warum zum Beispiel nicht mal eine intensive, emotionale Arie einbauen, in der die Charakteristika der einzelnen Akteure mal so richtig schön in Szene gesetzt werden können? Man merkt eben, dass Pfaffinger zwar durchaus die progressiven Kniffe draufhat, aber nicht die dramatischen Sensibilitäten eines – sagen wir mal – Lucassen verinnerlicht hat.
Zumindest bereitet „Home“ ein hinreichend angenehmes Hörvergnügen
Kurz: ARDARITH fehlt auf „Home“ dieser eine Showstopper. Es ist immer noch perfekt hörbar, aber entgleitet dem Gedächtnis auch relativ flott wieder, eben weil dieser eine, große Moment fehlt, den ein jedes musikalische Theaterstück hat. Das kann sicher wiederum damit zusammenhängen, dass hier kein dramatisches Motiv wirklich nennenswert entwickelt wird, was bei einem solchen Werk durchaus wichtig wäre. Im Grunde kann man den roten Handlungsfaden getrost ignorieren und hat dann immer noch ein hinreichend gefälliges Album. Das hört sich alles negativ an, aber die eigene Ambition, ein großes Konzeptwerk zu sein, ist genau der Aspekt, der „Home“ zurückhält in Abwesenheit dramatisch sinnvoll entwickelter Stränge. Es ist kein pappsüßes Popcorn-Entertainment der Marke AVANTASIA und keine dramaturgisch gestriegelte Extravaganza á la AYREON. Aber es ist allein für die musikalisch Darbietung immer noch mehr als genießbar und lässt auf ein durchdachteres Werk hoffen, sollte ARDARITH mehr als nur Eintagsfliege sein.
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