Architects - Holy Hell

Review

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Ein Schicksal, wie es die ARCHITECTS ereilt hat, kann eine Band, die schließlich im Optimalfall mehr als eine finanzielle Interessengemeinschaft darstellt, als Gruppe füreinander fühlender Menschen vergiften und zerbrechen. Es kann sie ebenso zusammenschweißen und in letzter Konsequenz stärken. In jedem Fall ist es unmöglich von der gemeinsamen künstlerischen Zukunft jener Gruppe zu entkoppeln, gerade dann, wenn diese unmissverständlich die Flucht nach vorne ergriffen hat. Darin liegen Segen und Fluch von „Holy Hell“, dem bang erwarteten Post-Tom-Album der Briten.

Es geht weiter

Tom Searle erlag im August 2016 einem aggressiven Krebsleiden. Er war Gründungsmitglied und Hauptsongwriter der seit 2004 aktiven ARCHITECTS und Bruder von Drummer Dan. Zwei Monate vor seinem Tod stand Tom noch vor Tausenden von Anhängern auf der Zeltbühne von Rock am Ring.

Toms Tod warf einen morbiden Schatten auf den selbst für ARCHITECTS-Verhältnisse düsteren lyrischen Content des letzten gemeinsamen Albums „All Our Gods Have Abandoned Us“. „A sickness with no remedy“ sangen auf der anschließenden Tour jede Nacht tausende Versammelte an den kiloschweren Klößen in ihren Hälsen vorbei. Die ARCHITECTS brachte ihre Bewältigungstour nebenbei an den kommerziellen Zenit. Spätestens mit Veröffentlichung des fertiggestellten Song-Fragments „Doomsday“ war dann klar: es wird weitergehen. Mit Josh Middleton von SYLOSIS. Live sofort und schließlich auch im Studio.

Der Tod steht über allem

Möchte man „Holy Hell“ nun rein biografisch deuten, so kommt man nicht umhin, in diesem Album eine Manifestation der Orientierungslosigkeit zu erkennen, in der sich die ARCHITECTS befinden. Musikalisch und nüchtern betrachtet klingt das so: „Holy Hell“ will dramatisch sein wie der Tod selbst. Deswegen unterfüttern dezente bis aufdringliche Streicher („Death Is Not Defeat“) so ziemlich jeden Albumtrack. Es will gleichzeitig böse sein und überraschen, weswegen „The Seventh Circle“ nach Nu Metal-GOJIRA klingt.

Dennoch basieren die allermeisten Strophen auf dem bewährten Wechselspiel aus Djent-Riffing und flitzend-melodischer Tonfolge. Der Zenit lässt sich, zumindest für eine gewisse Zeit, auch durch Eigenkopie halten. Schließlich ordnet „Holy Hell“ lyrisch die kleinteilige sozialpolitische Polemik der Vergangenheit der allumfassenden wie diffusen Thematik von Tod und Vergänglichkeit unter. Nicht unbedingt depressiv sondern gleichsam absurd im besten Camus’schen Sinne.

„Holy Hell“ zeigt die ARCHITECTS im Übergang

Orientierungslosigkeit kann jedoch auch frei machen, weswegen Songs wie „Royal Beggars“ oder der Titeltrack zum Erfrischendsten gehören, was man seit langem von den ARCHITECTS gehört hat. Wo das Signature-Riffing in der dritten Runde seit dem definierenden Über-Album „Lost Forever // Lost Together“ mittlerweile deutliche Ermüdungserscheinungen zeigt, wird Sam Carters Gesang einfach nur immer brutaler, wütender, herzzerreißender und bisweilen zerbrechlicher. Über weite Strecken trägt er „Holy Hell“.

Die Bandmitglieder der ARCHITECTS werden als Menschen weiter verarbeiten. Wenn sie es neben dieser unfassbar schwierigen und kaum jemals abzuschließenden Aufgabe schaffen, künstlerisch das nächste Kapitel aufzuschlagen, wird von der Insel noch Großes kommen. Bis dahin ist „Holy Hell“ das perfekte Transitionsalbum.

09.11.2018

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3 Kommentare zu Architects - Holy Hell

  1. Schraluk sagt:

    Seit ‚Ruin‘ freue ich mich auf jedes neue Lebenszeichen und auf jede Tour der Band. Metalcore oder was-auch-immer der neueren trendy -Cores- interessiert mich in der Regel recht selten. Als alter Sack hat man immer das Gefühl, jede dieser neuen tollen Platten bereits zu kennen und greift dann lieber zu den Originalen zurück. ‚Architects‘ gehörten neben Bands wie ‚Remembering Never‘ diesbezüglich aber immer zu den wenigen, die in diesem ‚Marktsegment‘ knallten. Durch die richtige Mischung aus Metal, Breakdowns, progessivem Diedas, Melancholie, geilen Texten, Stakkato-Double-Bass und deepem Scheiss. Wahrscheinlich die richtige Formel warum sich viele verschieden Genre-Heinis darauf gut einigen können.
    Erster Track ‚Death Is Not Defeat‘. Estmal schlucken. Für mich sind Opener das entscheidende Kriterium, ob ich eine Platte weiterhöre. Und von diesen boten ‚Architects‘ immer wahre Perlen: ‚Nihilist‘, ‚The Bitter End‘, ‚Early Grave‘, ‚Grave Digger’…..Ok, Titelname und Text gecheckt. Da war ja was. Tom Searle. Und wie in der Rezension ja auch bereits geschrieben, es war klar, dass das Album anders wird und das es primär wohl auch um Verarbeitung geht. Dass ist glaube ich wichtig um ‚Holy Hell‘ einzuordnen. Bereits mit ‚Hereafter‘ als zweiten Track bekommt man dann die typische ‚Architects-Bedienung‘ , angepisste und wütende Riffs und die Auflösung in der Hook. Pathetischer als gewohnt, aber – geiler Tune. Um es kürzer zu machen. Auch ‚Holy Hell‘ ist eine saustarke Platte. Unverkennbar ‚Architects‘ auch wenn der Drall nach ‚Pop-aussen‘ manchmal knapp am ‚geht klar Limit‘ schrammt (‚Royal Beggers‘). Den Kontext sollte man intus haben. Auch textlich zieht der sich wie ein roter Faden durch die Platte, von Traurigkeit, über Wut bis zur Erholung und Autogenese. Ein paar Mal gehört jetzt das Ding. Und? Wie immer! Sie wird lange bei mir laufen. Und Tour kommt.

    8/10
  2. BlindeGardine sagt:

    Ich habe die Architects erst mit „Lost Forever…“ so richtig für mich entdeckt, das Album lief ein Jahr lang mindestens 1x täglich bei mir durch. „All Our Gods Have Abandoned Us“ hat sich nicht ganz so schnell festgesetzt, was aber auch an der deutlich düstereren Ausrichtung lag. Dennoch nach etwas Eingewöhnung ein fantastisches Album. Nun war ja nach Tom Searles Tod erstmal nicht ganz klar, ob und wie es mit der Band weiter geht, ich persönlich bin aber froh, dass sich die Jungs durchgeboxt haben.
    Im Wesentlichen kann man dem Review soweit zustimmen, „Holy Hell“ ist musikalisch kein Schritt nach vorne, sondern eher ein innehalten, durchatmen und Revue passieren lassen. Das Album bleibt stilistisch auf dem mit „Lost Forever…“ eingeschlagenen Weg, ist dabei allerdings nicht ganz so energiegeladen wie selbiges und nicht so düster und schwer wie der Vorgänger. Tatsächlich schrammen die Herren mit dem verstärkten Streichereinsatz auch manchmal knapp am „too much“ vorbei und „poppigen“ Momente treten etwas deutlicher zu Tage; ansonsten kann man aber sagen: Im Westen nichts Neues. Da die Architects ihre Mischung aus Djentriffs, dicken Grooves, ruhigen Momenten und obligatorischen Breakdowns aber einfach sehr gut beherrschen, verzeihe ich ihnen gerne den ein oder anderen Déjà-vu-Moment. Der Einordnung des Rezensenten als Tansitionsalbum würde ich soweit zustimmen, allerdings schlage ich noch ein Pünktchen drauf.

    8/10