Any Given Day - My Longest Way Home: Rise To Success

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„Die sind halt einfach real, die sind halt echt und müssen sich dafür einfach auch nicht verstellen, und das ist halt heutzutage auch einfach viel wert“, so lauten die ersten gesprochenen Worte von Alexander Schröder (Redfield Records) auf „My Longest Way Home: Rise To Success“. Oh je, wenn das alleine heutzutage schon viel wert ist, dann sieht es momentan noch schlimmer aus als gedacht. Wo kämen wir hin, wenn jeder mit einem einzigen gut laufenden Album gleich derbe abheben würde. Aber watt willste machen, nach wenigen Minuten steht fest: ANY GIVEN DAY sind trotzdem knorke Typen, und das ist halt normal im Pott. Regisseur Mirko Witzki begleitete die fünf Musiker über drei Jahre und liefert nun eine Dokumentation von der Demo bis zum ersten großen Festivalauftritt.

ANY GIVEN DAY erzählen von früher

Demgegenüber steht schon ein fast grotesker Hang zur Übertreibung. So unfassbar originell ist es jetzt nicht, den Song „Diamonds“ zu covern. ANY GIVEN DAY hält das aber nicht davon ab, die Idee und „Entstehungsgeschichte“ ihres Coversongs dermaßen übertrieben aufzubauschen, dass man schon fast auf Satire hofft. „Find ich das jetzt nur so geil, weil wir das sind, oder finden das vielleicht die Leute auch geil?“ fragt sich Schlagzeuger Raphael. Die Lösung für alle, die wissen möchten, wie sich das anfühlt, hat er dann selbst parat: „Das ist ein Gefühl, das müsste man echt selber mal ausprobieren. Also dreht einfach alle mal ein Musikvideo und guckt euch das danach zu Hause mal an, das ist echt cool!“ Was ANY GIVEN DAY sympathisch macht, ist die Tatsache, dass man ihnen die kindliche Freude abnimmt. Fast zehn Minuten darüber zu reden, ist trotzdem übertrieben. Spätestens, als die Band backstage überlegt, welchen Song sie als Zugabe spielen soll, und zwischen „dann halt nochmal Diamonds“ und „dann eben den einen Song von der Demo“ schwankt, müssten ANY GIVEN DAY oder der Regisseur selbst merken, dass Titel der DVD und Inhalt nicht passen. Die Dokumentation von irgendeinem Weg kann nicht gemacht werden, wenn die Haustür beim Blick zurück noch zu sehen ist.

„Schon immer krass, wenn man sein Sold-out-Schild ins Fenster stellen kann“

Und so feuern ANY GIVEN DAY eine öde Anekdote nach der anderen raus. Unglaublich, wie die Band „von früher“ redet, ganz genau sieht, wie „die vorne in den Reihen den Dennis anschmachten“ (der gerne blankt zieht und offensichtlich sehr erfolgreich auf Massephase ist, obwohl die Band so dermaßen abgeht…), und genau dieser beschreibt zurückgelehnt und stolz, dass es „schon immer krass ist“, wenn man sein „Sold-out-Schild ins Fenster stellen kann“. Unterhaltsame Realsatire liefert durchweg Drummer Raphael Altmann, der genau dieses Highlight der angesprochenen ausverkauften Record Relase Show im FZW in Dortmund (immerhin bis zu 1.300 Besucher und 29,90 Euro für eine Karte!) relativiert, indem er beschreibt, dass eben „Hans und Franz“ da waren, also „auch Leute, die man Jahre nicht mehr gesehen hat“.  Aufstrebende Musiker können von ihm lernen, dass am besten direkt am Bühnenrand ein Dixi-Klo aufgebaut werden sollte, denn kurz vorm Auftritt sagt jeder: „Boah, ich muss schon wieder kacken, obwohl ich vor drei Minuten war. Datt kann man sich gar nicht vorstellen, also es läuft, nä. Aber sobald man die Bühne betritt ist das auch weg… und zum Glück ist das weg.“ Die 85 Minuten sind unfreiwillig komisch, da ANY GIVEN DAY überzeugt sind, dass es mordsmäßig abgeht und mit einer Chartplatzierung für ihr Debüt auch bestätigt wurden. Kaum auszumalen, wie die Band hohl gedreht hat, als die Zusammenarbeit mit M. Heavy von TRIVIUM feststand. „Every minute is a lifetime“ singen ANY GIVEN DAY in „Anthem For The Voiceless“ vom Debüt, nach der Dokumentation haben solche Weisheiten einen ganz anderen Anstrich… die DVD ändert allerdings nichts daran, dass Dennis ein hervorragender Sänger ist, die Gruppe sehr harmonisch miteinander zu sein scheint und bei ANY GIVEN DAY jeder gute Arbeit leistet. Bezüglich Songwriting und Individualität ist zwar noch Luft nach oben, was bei Album Nummer Zwei auch vollkommen in Ordnung ist.

Unfreiwillig komisch, aber relativ gehaltlos

Da bildet man sich ein, im Metalcore-Bereich relativ up-to-date zu sein und verpasst dann die Sensation ANY GIVEN DAY, die nach Aussagen der Band selbst auch in Amerika und Japan auf sich aufmerksam machen konnte. Weder die DVD „My Longest Way Home: Rise To Success“ noch das vorliegende zweite Album „Everlasting“ geben allerdings konkreten Aufschluss darüber, warum hier jetzt so ein riesiges Fass aufgemacht wird. Die Managerin beschreibt die Band selbst bis zur Veröffentlichung des Debüts (!) als Selbstläufer, „es lief so alles irgendwie vor sich hin und funktionierte.“ Wer eine Band mit Demo, die hundsgemeinen Metalcore spielt, schon als Selbstläufer beschreibt, scheint generell optimistisch eingestellt, und das ist auch gut so. Ein bisschen Größenwahn ist nie verkehrt.

„Selbst wenn mal Scheiße passiert, muss man einfach weitermachen“, das rät euch die Band ANY GIVEN DAY, deren zweites Album „Everlasting“ vor Kurzem veröffentlicht wurde. Die These, dass von den 4.000.000 Klick auf das RIHANNA-Video nicht jeder das Lied automatisch geil fand, sofort in den Plattenladen rennt und an ANY GIVEN DAY sein Fan-Herz verliert, ist hiermit aufgestellt. „My Longest Way Home: Rise To Success“ scheint aber genau diese Tatsache vermitteln zu wollen. Kurzweilig ist die DVD auf jeden Fall, aber ich muss sowieso jetzt weg, weiter an meiner Biografie schreiben.

04.09.2016

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