Es scheint, als hätten ANTISOPH die Zeichen der Zeit erkannt: Wir leben in Zeiten, in den der Prog meist wenig mehr ist als glorifizierter AOR oder Power Metal. Ein krummer Takt pro Minute, vielleicht mal ein verqueres Riff alle Jubeljahre, dafür alles mit Synths zugekleistert, doch ansonsten ist es mit der großen Klangkunst nicht mehr weit her. Die Liste der „Dishonorable Mentions“ ist lang, mittlerweile darf man sogar Steven Wilson mit seinem Pop-Album (!) „To The Bone“ ebenso wie die mit „Emperor Of Sand“ noch weiter dem schlichten Rock anheim gefallenen MASTODON hinzu zählen. Wo sind sie hin, diejenigen, die gerade den neuzeitlichen Prog so sehr geprägt haben?
Alles endet nun mal irgendwann, das Leben wie die Kunst. Meist ist ein Ende ein Neubeginn, ein notwendiger für nicht wenige Künstler, für manche aber auch einfach nur der Wunsch nach mehr (Geld). DILLINGER ESCAPE PLAN sind nicht mehr, und doch haben die ihren Wahnsinn bis zum letzten Atemzug ausgelebt. Und ANTISOPH eben aus dem schönen Schleswig-Holstein – um den Bogen zum einleitenden Statement zu schlagen – nehmen einen kräftigen Hub von deren ausgehauchten Lebensodem, streuen etwas ARCTURUS und DODECAHEDRON darüber, begeben sich damit auf den in den frühen bis mittleren 2000ern gepflügten ENSLAVED-Acker…
…UND LASSEN DORT DIE VERFICKTE SAU RAUS!
Knallhart-verquere Math-Schellen im Zeichen des Riffs
Das Zweitwerk des Trios aus dem teutonischen Norden hält sich nicht lange mit Förmlichkeiten auf. Es geht vom ersten Atemzug des selbstbetitelten Albums auf die Zwölf und zwar mit „Karmaghoul“, der auch gleich aufzeigt, wie hier der Bär steppt. Hier geben sich Einflüsse von Mathcore und dem späteren, technischen CRIMSON-Prog die Klinke in die Hand mit heftigen, mitunter fast schon thrashigen Haudrauf-Ausbrüchen, die euch den Nacken ausrenken werden. Der Song klingt, als hätte die Band ihn gerade so unter Kontrolle, vor allem dank der richtig hart zuschlagenden Breaks, die aus dem Grundtempo heraus brechen und dadurch ihr eigenes Momentum mitbringen. Zeit zum Zähne Auflesen bleibt aber keine.
Im folgenden nehmen ANTISOPH das Tempo ein bisschen heraus und gehen mehr auf die Heaviness- und Groove-Schiene. So richtig hart fährt in dieser Hinsicht „Ghostking“ ins Gebein, der den MASTODONschen „Leviathan“ glücklich machen würde, während der Song mit den mittleren ENSLAVED fast schon atmosphärisch ausgroovt. Die werden wiederum vermehrt im Dreizehnminüter „Distant Scream“ bemüht. Und obwohl Grutle Kjellson leider nicht von weitem her in den Song rein brüllt, so bündelt der Track doch alles, was die 2000er-ENSLAVED im Positiven ausgemacht hat. Ein bisschen klassischer Punk kämpft sich indes in den eröffnenden Gesangslinien von „Death“ hindurch. Und es gibt noch viel mehr zu entdecken.
ANTISOPH nehmen den progressiven Acker auseinander
Dazu gibt es Riffs, Riffs, Riffs, die von straff heruntergebraten über schwarzmetallisch schneidend bis technisch-chaotisch rangieren. Das ganze hat eine dreckige Produktion auf den Leib geschneidert bekommen, die dem aggressiven, rotzigen Flair des Sounds wunderbar in die Karten spielt. Der klare Gesang ist vielleicht das einzige, was sich hier und da bemängeln lässt. Die Stimme von Sänger und Gitarrist Jan M. Plewka könnte ein bisschen mehr Volumen vertragen, doch macht er seinen Job ansonsten ziemlich gut und trifft vor allem in den pompöseren Momenten genau ins Schwarze; immerhin vermisst man zu keiner Zeit kontrastierendes Gebrüll, Punkt also wieder für ihn und gegen das Klischee.
Letzten Endes legen ANTISOPH hier ein wahnsinniges Album vor, das gerne die Schwelle zum Chaos wandert, dies aber selbstsicher tut. Ein souveräner Drahtseilakt, gut ausbalanciert, dabei nie zu grazil sondern immer, auf dem Grate wandernd, mit dem Knüppel schwingend – wie das den Herren gelungen ist, bleibt wohl bis auf weiteres ein Rätsel. Das das Material hier nicht aus einer spontanen Jam-Session entstanden ist, hört man aber definitiv, dafür sitzt hier alles zu gut. Und doch klingt eine ungehobelte Rohheit hindurch, die dem Album einfach so viel Durschlagskraft verleiht. Aber vielleicht sollte man das auch nicht zu sehr hinterfragen, sondern einfach genießen. In diesem Sinne stürzt sich unsereins wieder irre lachend ins Gefecht:
HUUUUUUUUUUARRRRRRRRGH!
Hat mit den genannten Querverweisen soviel zu tun wie ein Furz mit frischer Luft, aber sei es drum… Nicht wirklich gut gespielt, aber eben auch nicht nur schlecht. Bespieltes Feld lebt eigentlich von instrumentaler Präzision, die auch in den anything goes Parts unbedingt aufrecht zu halten ist. Engagierte man zwei wirklich gute Gitarristen und konzentrierte sich der Vokalist nur auf seine Stimme könnte aus denen was werden. So ist mir das en gros zu unpräzise. Und jetzt Intronaut zum Runterkommen.
Hörst du dir eigentlich die kompletten Alben an oder immer nur den jeweils einen hier verlinkten Song? Wenn Zweiteres der Fall ist, solltest du vielleicht keine Punkte vergeben, da sich auch die Userwertung ja aufs ganze Album bezieht. Hat jetzt nichts mit deiner Meinung zur Musik an sich zu tun.
Japp. Immer das ganze Album. Ansonsten wäre eine Bewertung ja in der Tat nicht fair. Allerdings wusste ich nicht, dass ich so etwas dazu schreiben muss 😉
Nee, das musst du natürlich nicht dazu schreiben. Hat mich nur mal interessiert, alles gut.
Leider vermiest mir persönlich der Gesang diese Platte. Musste nach 3 oder 4 Liedern leider aufgeben.
Ich glaube sogar dass man objektiv sagen kann, dass der Sänger noch Luft nach oben hat.