Antimatter - The Judas Table

Review

Galerie mit 12 Bildern: Prophecy Fest 2016 – Samstag – Antimatter

Passend zur kalten Jahreszeit liefert die traurigste Band der Welt – also known as ANTIMATTER – ein neues Album ab. „The Judas Table“ kehrt zurück zu den Betrachtungen von Einzelschicksalen, nachdem „Fear Of A Unique Identity“ eine Art offensiver, sozialer Kommentar gewesen ist. Entsprechend intensiv ist auch die Stimmung der Songs ausgefallen – mit Abstrichen, aber dazu gleich mehr. Wie bei einem derartigen Albumtitel nicht anders zu erwarten, ist eines der zentralen Themen des Albums Verrat; tatsächlich sind die Texte des Albums teilweise sehr harsch, geradezu unerbittlich. Grundlage sind die Erfahrungen – allen voran die negativen, die Mick Moss im Laufe seines Lebens mit Menschen aus dem näheren Umfeld gemacht hat.

Für die Musik von „The Judas Table“ bedeutet das, dass Zurückhaltung und Subtilität an der Tagesordnung stehen. Mick „ANTIMATTER“ Moss arbeitet mit vielen akustischen Instrumenten, selten kommt es vor, dass die Gitarre mal stark verzerrt in Erscheinung tritt. Um es gleich vorweg zu nehmen: Es sind ebendiese rockigen Momente, die noch am ehesten deplatziert wirken und aufgrund ihrer oft recht statischen Darbietung im Vergleich zum Rest des Albums fast schon plump daher kommen. Denn auf „The Judas Table“ zeigt Maestro ANTIMATTER eine ungeheure, musikalische Ambition. Die Instrumente werden sehr sauber gespielt, die Produktion ist warm und kräftig, der Klang klar und deutlich. Es ist faszinierend, wie schön ein Album doch klingen kann. Gerade die kleineren Details, die sich im Hintergrund abspielen, sorgen ein ums andere Mal für einen wohligen Schauer.

Beim einleitenden „Black Eyed Man“ kann man sich einen guten Eindruck von den Stärken von „The Judas Table“ verschaffen. Langsames Tempo bestimmt den Song. Langsam, aber nicht träge. Passend zum ANTIMATTER-Image herrscht von der ersten Sekunde an Melancholie vor. Die Gitarre liefert ornamentale Tupfer, während die hauchzarten Streicher und der untergründige Bass das Klangbild prägen. In den mehrstimmigen Gesangspassagen kommt sogar echtes Gänsehaut-Feeling auf. Dazu die schönen, subtilen Flageoletttöne und Gitarrentupfer in der Bridge, die mitten im Song ein paar jazzige Vibes hinzufügen, das hymnische Finale mit den schönen „Woooohooooo“-Gesängen – kurz gesagt: Moss zieht hier alle Register, um das Interesse des anspruchsvollen Hörers zu wecken.

Dieses Interesse wird im Laufe des Albums immer wieder belohnt, wobei es wie gesagt vor allem die kleinen Dinge sind, die „The Judas Table“ besonders auszeichnen. Wunderschön ist der Einsatz von zartem weiblichen Background-Gesang in „Little Piggy“ oder im Titelsong, vor allem deswegen, weil er durch seinen sparsamen, dezenten Einsatz umso effektiver wirkt. Der zweite Teil von „Hole“ ist ein einziger, psychedelischer Jam und stellt neben „Black Eyed Man“ den zweiten, großen Höhepunkt des Albums dar. „Comrades“ und „Goodbye“ sind zwei geradlinigere Balladen, die dennoch nichts von der ANTIMATTER-Intensität einbüßen.

Allerdings leistet sich Moss dann doch einige kleinere Aussetzer, welche wie weiter oben angedeutet der intensiven Stimmung immerzu einen ärgerlichen Dämpfer verpassen. Das dem einleitenden Hit auf dem Fuße folgende „Killer“ ist ein Beispiel der oben erwähnten, plumpen Seite des Albums. Die furchbar klischeehaften Synthesizer gepaart mit den unsagbar kitschigen Klaviermelodien lassen an handelsüblichen Gothic-Cheese denken. Der unspektakulär vor sich hin rockende Refrain und der monotone Gesang von Moss helfen da auch nicht gerade. „Stillborn Empire“ fällt in eine ähnliche Kategorie, was in diesem Falle besonders gravierend ist, da es sich hier mit immerhin knapp siebeneinhalb Minuten um das längste Stück handelt. Und „Can Of Worms“ driftet nur zu gerne in Post-Grunge-Klischees ab, während der Refrain auch hier im ultra-käsigen Vier-Akkorde-Muster verharrt. Das geht soweit, dass man sich teilweise an CREED (ganz schlimm ab 4:16) erinnert fühlt.

Der zweite Kritikpunkt klingt vielleicht etwas ungewöhnlich: Es geht etwas zu viel ab in den Songs von „The Judas Table“. Soll heißen, dass der Herr ANTIMATTER seinen Hörern selten ausreichend Gelegenheit gibt, die Atmosphäre der Songs in sich aufzunehmen, vermutlich deswegen, weil er das Songkorsett seiner Lieder aufrecht erhalten will. Schade, denn gerade die schönen, schwelgerischen Passagen wie etwa eben in „Hole“ laden zum Verweilen ein. Hier hätte sich Moss den ein oder anderen Kniff bei LUNATIC SOUL, STEVE HACKETT oder den neueren ULVER abschauen sollen.

Nichtsdestotrotz stellt „The Judas Table“ ein schönes Album für den Herbst und den Winter dar. Mit ANTIMATTER ist nach wie vor zu rechnen und Fans werden in jedem Falle zufrieden sein. Ein Meilenstein ist das sechste Album des Briten aber leider nicht geworden.

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25.10.2015

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Antimatter - The Judas Table

  1. hypnos sagt:

    ich kann die Kritikpunkte überhaupt nicht nachvollziehen. Ich bin Antimatter-Fan seit dem ersten Album und ‚The Juds Table‘ ist für mich ein absolutes Highlight ihrer Diskografie (kommt fast an ‚Leaving Eden‘ heran…
    gerade das kritisierte ‚Stillborn Empires‘ ist einfach ein Übersong.

    Für mich 9,5/10 und das Album des Jahres bis jetzt