Remix, Akustikalbum, Band plus Orchester – es gibt mehrere Möglichkeiten, den eigenen Liedern einen neuen Anstrich zu verpassen. Im Falle von ANNEKE VAN GIERSBERGEN liegt die Sache noch ein Stückchen anders: Das Residentie Orkest aus Den Haag hat es sich zur Tradition gemacht, von sich aus Künstler für gemeinsame Konzerte anzufragen. So kam die Zusammenarbeit zwischen der Solokünstlerin und dem Orchester für zwei Abende im Mai 2018 zustande, und das Ergebnis können wir in kondensierter Form auf dem neuen Album „Symphonized“ nacherleben – eben ANNEKE mit Orchester, aber ohne Band und fast ausschließlich mit klassischen Instrumenten (einzig in „Your Glorious Light Will Shine – Helsinki“ ist zusätzlich ein Schlagzeug zu hören).
Die Stimme von ANNEKE steht im Mittelpunkt
Das Ergebnis klingt erst einmal sehr deutlich nach ANNEKE VAN GIERSBERGEN: Die bezaubernde Stimme der charismatischen Niederländerin steht im Mittelpunkt, und ab und zu wendet sie sich in den Songs anfeuernd ans Publikum. Aber auch die Arrangements gehen sehr schonend mit den Songs um: Zumeist wird die Stimmung der Stücke beibehalten. Im Gegensatz zu einem Band-mit-Orchester-Album sind die Musiker aber freier, drehen häufiger auf, beispielsweise wenn sich die Streicher oder die Bläser duellieren. Dafür muss man natürlich offen sein, aber schmalziger Geigenkitsch ist das Ganze somit auch nicht.
Noch einmal zu den behutsamen Arrangements: Im langen „Travel“ folgt das Orchester sogar den ursprünglichen (Trip-Hop-) Soundexperimenten, nur geben hier eben Tuba und Geigen die tiefen und sich überschlagenden Passagen wieder. Besonders schön ist wiederum, dass das Orchester den beiden VUUR-Stücken „Your Glorious Light Will Shine – Helsinki“ und „Freedom – Rio“ ein ganzes Stück mehr Leben einhaucht, als es die Band auf dem Studioalbum vermocht hatte. Interessant ist zudem die Klassikversion von „Shores Of India“, das ja bereits auf dem THE GENTLE STORM-Album „The Diary“ in zwei Versionen erschienen war. Und nicht zuletzt ist es spannend zu sehen, wie sich ANNEKE bei klassischen Stücken schlägt: „When I Am Laid In Earth“ ist eine barocke Arie von Henry Purcell, ein Stück, das die Sängerin nach eigenen Angaben schon ihr ganzes Musikerleben lang begleitet und nun endlich aufgenommen wurde: Sie schlägt sich jedenfalls nicht schlecht dabei.
„Symphonized“ ist freier und ungewöhnlicher als ein schnödes Band-Album mit klassischem Anstrich
Insgesamt ist „Symphonized“ ein spannendes Album mit interessanten und hörenswerten Interpretationen. Selbstredend kein klassisches Album im klassischen Sinne, aber eben auch kein schnödes Band-Album mit klassischem Anstrich, sondern schon freier und ungewöhnlicher. Und eben gekrönt von einer ANNEKE VAN GIERSBERGEN, deren Stimme nur ganz am Anfang beim Opener „Feel Alive“ ein wenig gedrückt klingt, die ansonsten aber souverän agiert, betört, bezaubert. Wer sich davon angesprochen fühlt, darf sich „Symphonized“ ohne Umschweife zulegen.
Ich wollt mich schon echauffieren und meckern „ach Anneke, du nicht auch noch“. Da man hier aber scheinbar auf ein stumpfes Rock-meets-Klassik-Konzept verzichtet hat, bzw. den Rock gleich ganz weggelassen hat, höre ich mir das wohl durchaus mal an, so die Klassik denn nicht zu schmalzig geraten ist. Dat Anneke kann mir eh selbst aus dem Telefonbuch vorsingen, da bin ich trotzdem ganz hin und weg.