War Power Metal vor Jahren als Einsteigergenre noch sehr populär und medientauglich, reicht es heute vielen Truppen nicht mehr in Reviews als „Drachentöter“ und „Eunuchen“ gebranntmarkt zu werden. In dem Versuch, das Kind aus Aufmerksamkeitsgründen umzubenennen, hat sich letztenendes der Bezeichnungszusatz „Progressive“ durchgesetzt, der meist dadurch legitimiert wird, dass man mitunter ein paar Minuten lang musikalischen Anspruch in die weiterhin eingängigen Kompositionen reinzwingt. Mittlerweile schaffen es aber sogar Drachentöter, einen 3/4 Takt sinnvoll zu verbraten, und die Proggie-Echsenprügler müssen sich was neues ausdenken. Aber hier hören wir auf von ANGRA zu reden.
Jene Band verdient den Zusatz „Prog“ in ihrem Power Metal nämlich weiterhin zweifellos und arrangiert auch auf „Aurora Consurgens“ einfach klingende Melodien in komplizierten Mustern. Dementsprechend sind mehrere Hördurchgänge auch Pflicht, bevor man mit den zehn Songs des mittlerweile sechsten Albums was anfangen kann. Das heißt aber nicht, dass besessene Jazzer und Thrasher direkt was mit den Brasilianern anfangen können. Haut der Opener „The Course Of Nature“ noch alle Zweifler aus dem Weg, ist der Power Metal in den folgenden Songs allgegenwärtig, und wird nur nochmal durch das spanisch angehauchte „So Near So Far“ kurz abgestellt. Dabei überzeugen die Nummern gerade durch die überlangen Intros, in denen in DREAM THEATER Manier die Hauptriffs schon vorweggenommen werden, um fröhlich auf ihnen die Gitarre quietschen zu lassen. Die eigentlichen Solis nach dem zweiten Refrain greifen dann meistens etwas völlig neues auf und erweitern die Atmosphäre des Songs. Da man aber auch dort eher in Power Metal, als in Proggefilden bleibt, ist es teilweise für den Hörer ziemlich schwer, den Faden nicht zu verlieren. Auf das einfallsreiche Supersolo des Albums wartet man leider auch vergeblich.
Aber wenn die Band sowas hinkriegen würde, müsste ich auch endgültig die Progressive Skala bei der Bewertung zu Rate ziehen. Also bleibt es ein gewohnt starkes Power Metal Album ohne Durchhänger, das immer mal wieder für Überraschungen gut ist und sich deutlich von der Konkurrenz abhebt. Und das nicht nur durch kurze brasilianische Ethno-Einflüsse.
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