Angelcrypt - Dawn Of The Emperor

Review

Soundcheck Juni 2020# 15

ANGELCRYPT, die mit “Dawn Of The Emperor” ihr zweites Album und ihre neunte Veröffentlichung insgesamt vorlegen, grüßen aus Malta. Vom maltesischen Kunst-Ministerium einst mit der Auszeichnung “Best International Achievement” geadelt, konnten sie bereits lukrative Support-Slots für u. a. GRAVE, BLAZE BAYLEY oder MEMORIAM an Land ziehen, sodass von einer gewissen Öffentlichkeitswirkung ausgegangen werden kann. Sicher bietet die kleine Mittelmeerinsel mit ihrer wechselhaften Geschichte, beeindruckenden Landschaft und interessanten Sprache mannigfaltige Quellen der Inspiration. Leider können ANGELCRYPT keines der genannten Attribute für sich verbuchen.

“Dawn Of The Emperor” sammelt viele nicht hinterfragte Klischees

Es ist legitim, sich wie ANGELCRYPT ausschließlich mit dem Ersten Weltkrieg zu befassen. Man muss gewiss keine eindringlichen pazifistischen Statements skandieren, um sich der Thematik akkurat zu nähern, wie Martin van Drunen (ASPHYX , HAIL OF BULLETS u. v. m.) bereits bewiesen hat. Ein Mindestmaß an Respekt vor den Dimensionen von Leid und Zerstörung sowie den Konsequenzen, die dieser Krieg mit sich brachte, sollte allerdings zur künstlerischen Grundausstattung gehören.

Bereits beim gruseligen Cover, das so aussieht, als hätte es ein von SODOM persönlich gefeuerter Praktikant fünf Minuten vor Abgabe in einer Gimp-Version aus den Neunzigern zusammengelieblost, zeigen ANGELCRYPT wenig Einfallsreichtum. Sicher, häufig sind die finanziellen Möglichkeiten kleiner Bands begrenzt, was die nichtssagende Motivwahl allerdings nicht rechtfertigt. Jedes historische Foto oder nur aus Logo und Titel bestehende Layout hätte mehr Lust auf die dazugehörige Musik gemacht.

ANGELCRYPT haben große Ambitionen – und verfehlen sie

Immerhin erfolgt die kompositorische Kreativität weitgehend kohärent zur äußeren Ästhetik. Die unterschreitet zwar die meisten Minimalanforderungen nicht, erschrickt aber durch die völlige Abstinenz eines eigenständigen Band-Sounds. Dabei belustigt es, wie anachronistisch ANGELCRYPT wirken. Denn ihre Spielart des Melodic Death Metal orientiert sich vor allem an den mittleren Nuller-Jahren, als das Subgenre den Death Metal immer weiter verdrängt und sich breitere Zielgruppen (vulgo: Metalcore) erschlossen hat. Schon das Intro “Of War And Will” verdirbt jede noch verbliebene Neugier durch die ungünstige Verbindung von kitschigem Plastikorchester aus der Konserve mit klischeetriefenden Spoken-Word-Samples. Hier werden eher Assoziationen zur Lademusik alter Computerspiele wach als zu einer epochalen humanitären Katastrophe. Nacht anderthalb Minuten hat man den Eindruck, genau zu wissen, wie der Rest der Platte klingen wird.

Der Opener “Clockwork Blood Red” bestätigt alle Vorurteile. Ausgemusterte IN-FLAMES-Riffs treffen auf viel zu fröhlich klingende Schunkelmelodien mit AMON-AMARTH-Touch, zu denen der Drummer einen unmotivierten Einheits-Beat klöppelt, der ihm so gut gefällt, dass er ihn in beinahe jedem Song recyclet. Was nicht heißen soll, dass irgendetwas am Material von “Dawn Of The Emperor” abwechslungsreich wäre – jeder Song bedient sich der gleichen Stilelemente.

“Dawn Of The Emperor” nimmt sich ernst und bleibt unseriös

Wären das die einzigen Kritikpunkte, könnte man die Platte zumindest gut nebenbei hören. Der Bogen wird mit den emotionslosen Vocals allerdings vollends überspannt – es ist beinahe unmöglich, noch monotoner zu growlen. Überdies ist der Gesang viel zu laut abgemischt und erweist sich auf Albumlänge als ernsthafter Störfaktor.

Die rein instrumentale Performance ist zwar solide, man würde allerdings auch nicht merken, wenn sie komplett dilettantisch wäre. Denn “Dawn Of The Emperor” wartet zudem mit einem tot-editierten, gewollt auf fett getrimmten Sound auf, der wie jede Andy-Sneap-Produktion von 2005 klingt und der Band die letzte Möglichkeit auf Identität raubt. Sämtliche netten Ansätze wie das Piano-Intro von “Si Vis Pacem” oder das EVOCATION-Riff in “On Killing Fields” werden durch punktuelle Gemeinheiten wie vorhersehbare Breakdowns (Titelsong, “Iron Creed”, “Si Vis Pacem”) oder die unpassenden Gothic-Synths im Intro von “Martyred Soul” ruiniert.

Auf dass der Kaiser bitte wieder schlafen möge …

Mit Kaiser Wilhelm II. und dessen mitunter monarchistischen Nachfahren haben ANGELCRYPT gemeinsam, dass der Lauf der Welt nicht von ihnen abhängen wird. Am Ende bleibt die Frage, was sie eigentlich zu erreichen gedachten. Jede einzelne Minute von “Dawn Of The Emperor” hat man schon besser und überzeugender gehört – und zwar viel zu oft. Die Wahl des Inhalts lässt jede schlüssige Umsetzung vermissen, der abschließende Gesamteindruck bleibt lieblos und überzeugt abgesehen von einigen guten Gitarrensoli nicht. Zur Katastrophendimension des Ersten Weltkriegs sind ANGELCRYPT zwar keine Konkurrenten, es gibt allerdings auch nichts, was es rechtfertigen würde, Geld für “Dawn Of The Emperor“ auszugeben.

05.06.2020

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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