Anekdoten - Until All The Ghosts Are Gone

Review

ANEKDOTEN gehören zu den Urgesteinen des skandinavischen Progs und stellen gleichzeitig einen Vorreiter des Retro-Prog dar, der in den frühen Neunzigern aufgekommen ist. „Until All The Ghosts Are Gone“ ist das achte Album der Schweden, die seit 22 Jahren in unveränderter Besetzung unterwegs sind – eine reife Leistung, vor der man schon mal den Hut ziehen kann. Lustigerweise nimmt sich eine der stabilsten Formationen des (Progressive) Rock die mit Abstand instabilste Formation überhaupt zum Vorbild: KING CRIMSON. „Until All The Ghosts Are Gone“ orientiert sich dabei überwiegend an den Klassikern des blutroten Königs. An dieser Stelle seien mal Lieder wie „Epitaph“ oder „Starless“ erwähnt, die als Referenz herhalten können. Gleichzeitig werden auch Elemente des Alternative Rock in den Sound integriert – ein Umstand, der in der Vergangenheit innerhalb der Fangemeinde für reges Stirnrunzeln gesorgt hat.

Doch auch wenn die Einflüsse aus Alternative immer noch präsent sind, so treten sie bei „Until All The Ghosts Are Gone“ vermehrt in den Hintergrund. Der Star des ANEKDOTEN-Sounds ist ja ohnehin das Mellotron, welches von Anna Sofi Dahlberg bedient wird. Und dieses führt den Hörer auch aktuell durch das Album. Die äußerst lebhaften Gitarren tummeln sich meist zusammen mit dem Bass im Hintergrund, das Schlagzeug ist angenehm unaufdringlich, vermag es dennoch, den wenigen lauten Passagen genug Schmiss zu verleihen. Der etwas abwesend klingende Gesang fügt sich nahtlos in die Soundlandschaft ein und sorgt für eine Atmosphäre, die einerseits melancholisch und traurig wirkt, andererseits aber auch ein gewisses Gefühl von Wärme und Geborgenheit vermittelt.

Mitunter erinnern ANEKDOTEN dabei an STEVEN WILSON, was vor allem im Opener „Shooting Star“ ins Auge sticht. Darüber hinaus ist das Album insgesamt ziemlich ruhig ausgefallen. Besagter Opener gehört noch zu den heftigeren Momenten von „Until All The Ghosts Are Gone“, gut zwei Drittel klingen aber sehr zurückhaltend, geradezu in sich gekehrt. Über allem liegt dabei das Mellotron, das die Songs wie ein Gespenst immerzu heimzusuchen scheint. Die lebhafte Gitarre kontrastiert dieses mit zum Teil recht schrägen Läufen, während Bass und Schlagzeug sich gegenseitig unterstützen. Ausbrüche der einzelnen Instrumente gibt es hin und wieder, vor allem von der Gitarre. Das Mellotron verschwindet ein ums andere Mal, nur um dann im weiteren Verlauf umso mächtiger zurückzukommen. Dennoch herrscht stets eine gewisse Balance. Man bekommt nie das Gefühl, dass die Songs trotz Überlänge die Gastfreundschaft des Hörers überbeanspruchen, weil sie einfach so abwechslungsreich sind. Dazu tragen auch die Gastmusiker bei. Besonders erwähnenswert ist hierbei Theo Travis, der mit seiner Querflöte die eindringliche Atmosphäre der Songs „If It All Comes Down To You“ und „Until All The Ghosts Are Gone“ verstärkt und einmal mehr den retrospektiven Blick gen KING CRIMSON wirft.

„Until All The Ghosts Are Gone“ ist ein Album von geradezu gespenstischer Schönheit, dessen einzige Schwäche die Tatsache ist, dass ANEKDOTEN im Grunde kaum etwas neu machen. Allerdings tut man sich schwer, etwas Vergleichbares von ähnlicher Qualität zu finden. ANEKDOTEN haben ihren ganz eigenen Sound, der auf „Until All The Ghosts Are Gone“ einmal mehr hervorragend dargeboten wird. Ist es perfekt? Nein, sicher nicht, einigen wenigen Passagen kann man mitunter einen gewissen Kitsch-Faktor unterstellen, aber bei so einem wunderbar atmosphärischen Album sind solche Makel schnell verziehen.

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03.06.2015

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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