Andsolis - Vigil

Review

ANDSOLIS – Kopf vs. Bauch

Progressiver Metal ist für mich so eine Sache – das Ergebnis kann absolut super sein, es kann sich aber auch bei dem Versuch, möglichst progressiv und komplex zu klingen, verzetteln und letztlich viel für den Kopf, aber nichts für den Bauch bieten. Letztlich hat beides seine Daseinsberechtigung, ist für mich aber schwer zu bewerten: Musik passiert für mich im Bauch, auf der emotionalen Ebene. Im Falle der deutsch-niederländischen Freundschaft ANDSOLIS und ihres Debüts „Vigil“ ist von beidem etwas vertreten: Die Platte wirkt verkopft, komplex und fast hätte ich beim erstmaligen Hören schon verzweifelt – da machte sich doch noch eine weitere Schicht bemerkbar.

… und dann hat’s „Klick“ gemacht!

Fakt ist auf jeden Fall: Der progressive Melodic Death Metal auf „Vigil“ braucht Zeit und Geduld. Klar, gleich der Opener „Stand Vigil“ bietet mit dem Klargesang im Refrain einen Aufhänger, aber das Riffing und die komplette instrumentale Seite lässt mich zunächst kalt. Auch der an neuere SOILWORK erinnernde Song „Kingdoms Without Shape“ und das darauffolgende „In Silent Confidence“ hauen mich nicht um. Doch dann macht es Klick, genauer gesagt bei „The Mystic“: Das klingt wie eine durch klassische Prog-Elemente erweiterte Version der Göteborger Mitt- und Spätneunzigerszene und kommt im Mittelteil mit einem ruhigen Part um die Ecke, der mit seinem Gitarrenspiel an diverse Progbands der späten Sechziger und frühen Siebziger erinnert, bevor er schließlich in einem grandiosen Übergang wieder den Melo Death dazuholt.

Nochmal zurückgeskippt: Doch, diese ausbruchsartige, emotionale Seite der Musik von ANDSOLIS, es gibt sie auch vorher schon. Sie hat sich nur versteckt. Wer auch immer zunächst nicht mit „Vigil“ klarkommt, versuche es einfach noch ein zweites Mal – es könnte sich lohnen. Es geht weiter mit dem „Post“-lastigen „Days Of Receding Light“, mit „Meridian Smiles“ und seinem starken, vom Piano getragenen Mittelteil sowie dem tollen, akustischen Abschluss „The Laughter Echoes“. Fast hätte ich dem Album Unrecht getan …

„Vigil“ – trotzdem kein Überalbum?

… und trotzdem kann ich keine Höchstpunktzahlen zücken. Das hat mehrere Gründe: „Vigil“ ist sicherlich auf beiden oben genannten Ebenen (Kopf und Bauch) gut komponiert, durchdacht und alles in allem klug und anspruchsvoll gemacht. Trotzdem reißen mich vor allem die ruhigeren Passagen vom Hocker, die im Gesamtkontext zu sehr über das Album verteilt sind. Die härteren Teile der Platte mögen technisch hervorragend gespielt und auch eigenwillig sein, haben aber zu wenig Durchschlagskraft. Das mag – letzter Kritikpunkt – hauptsächlich am Klang des Albums liegen, der eher unspektakulär aus den Boxen schwappt und weder sonderlich hart ist, noch viel Platz für Stimmung zulässt.

Und so ist „Vigil“ unter dem Strich ein Album, hinter dem mit ANDSOLIS kluge Denker und große Könner an den Instrumenten stehen. Es fehlt mir trotzdem an verschiedenen Ecken an den großen Momenten, an Härte, an Druck, an Atmosphäre und an Emotion, um mitreißen zu können. Tolle Ideen sind trotzdem vorhanden, weshalb ich mich zu einer knappen 7/10-Wertung hinreißen lasse. Der Aufbau und Stil des Reviews sollte eh längst klargemacht haben, dass dieser Text und die Punktwertung darunter höchst subjektiv sind – wer mit eher kopflastiger Musik glücklicher wird als ich und sich noch nicht wie ich an modern produziertem Melodic Death Metal überhört hat, der darf nochmal einen dicken Punkt dazurechnen.

NACHTRAG:

Aus technischen Gründen musste die Veröffentlichung des Albums auf den 20. Februar 2015 verschoben werden!

16.01.2015

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